Volltext: Archäologie der Kunst [6, Hauptbd.] (Hauptb. / 1895)

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Klassische Kunstarchäologie. II. Geschichte der alten Kunst. 
der lokalen Arbeit und der orientalischen Einflüsse schwankt, wird man 
sich an die fliehenden Nereiden halten müssen, welche zwar nach orienta 
lischem Stil die gleichen Bewegungen machen, dagegen aber durch 
scheinende Gewänder tragen. 
Lykien bildet politisch und archäologisch eine eigene Provinz. Die 
Bergbewohner halten an den alten Bräuchen lange fest, z. B. trugen 
sie noch unter Maussollos lange Haare J ) und verabscheuten die hellenische 
Nacktheit. Sie schrieben in einer eigenen Schrift und mit phönikischen 
Zahlzeichen. Auf den Münzen erscheinen orientalische Symbole wie der 
Greif, Löwe und Stier im Kampfe, geflügelter (auch gehörnter) Löwe, 
Triquetrum, Sonnenscheibe, Sphinx, Ammon. Nichtsdestoweniger standen 
die Lykier den Griechen nahe. Bereits 516/5 mit den griechischen Küsten 
städten vereinigt, schlossen sie sich 466 an den attischen Seebund an. 
Damals dürfte die Heranziehung griechischer Marmorarbeiter begonnen 
haben. Lykien selbst hatte nämlich die Sitte, im Gebirge zwar den vor 
nehmen Toten stattliche Felsengräber mit schön profilierter Fa^ade, * 2 ) in 
der Ebene aber hohe Grabtürme zu errichten; für beide liefert Persien 
die nächsten Parallelen. Unter letzteren ist das bekannteste das Harpyien 
monument (nach den Eckfiguren genannt), dessen monolithen Kern ein 
Fries von Marmorplatten, in der spartanischen Art Opfer an die Heroen 
darstellend, umzieht. 3 ) Man beachte die unvollkommene Augenbildung und 
das leise Lächeln, die zierlichen Bewegungen, die durchscheinenden Ge 
wänder und dabei die Selbständigkeit in der Tracht und den Schönheits 
begriffen. Eine andere Plattenreihe zeigt einen Aufzug, worin assyrisch 
aufgeputzte Pferde. 4 ) Im eigenen Lande fanden die Bauherrn kaum 
Marmor, 5 ) geschweige denn geübte Künstler; die Reliefs stammen also 
von der Hand Fremder, vielleicht kleinasiatischer Griechen. 6 ) Kleinere 
Denkmäler Lykiens bleiben noch zu ermitteln; die Perserkönige schätzten 
vergoldete Schalen lykischer Arbeit. 7 ) 
Litteratur: G. Scharf, observations on the peculiarities of sculptures seen on the 
mon. of anc. Lycia, London 1847 m. Abb.; S. 95. 
Das übrige Kleinasien ist so gut wie gar nicht erforscht; doch 
glaube ich ein flaches Felsenrelief Phrygiens, das den lykischen Reliefs 
nahe steht, hier erwähnen zu dürfen. 8 ) 
Cypern setzt seinen Kunstbetrieb weiter fort, wobei es gegenüber 
den eigentlichen Hellenen noch immer seine Selbständigkeit wahrt. Die 
*) Ps. Aristot. oecon. 2, 2, 14. 
2 ) S. 95; in Telmissos: Lichtdruck bei 
Dieulafoy, Part ant. de la Perse I T. 7 
(Grab des Hundes). 15 (Grab des Amyn- 
tas). 
3 ) Rayet, mon. I T. 18 — 16; Phot. 
Bruckm. 146-7; Wolters 127—80; über 
den Stil Oyerbeck, Ztsch. f. Altertumswiss. 
1856, 289 ff.; Brunn, Sitzungsber. d. bayer. 
Akad. 1870 II 205 ff. (zwischen Ol. 65 u. 70); 
Erklärungsversuche bei Curtius, AZ. 1855,1 ff. 
u. N. Kondakoff, hist. Unters, über das Har- 
pyienmon. in Xanthos, Odessa 1878 (rus 
sisch). 
4 ) Phot. Bruckm. 102; Wolters 181—5 
(sonderbare Pferdebewegungen); Aufzug von 
Kriegern in Trysa: Benndorf, Reisen II F. 9 
= Perrot F. 278—5. Grabrelief aus Xan 
thos: Abguss in München; A. 1844, 150 m. 
Abb.; Fries: Phot. Bruckm. 104; Giebelrelief: 
das. T. 101a; ? Hahnenfries: das. 103. 
5 ) Benndorf, Heroon S. 36, 
6 ) Vgl. Benndorf a. O. S. 250. 
7 ) Vgl. Athen. 11, 465 b aus einem Briefe 
Alexanders. 
8 ) Zu Sondürlü: Chamonard, Bch. 17, 
39 ff. T. 4.
	        
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