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Klassische Kunstarchäologie. II. Geschichte der alten Kunst.
vertreten ist ! ) (ein Zeichen der bescheidenen Vermögensverhältnisse
der Griechen), kommen die Malereien auf Thon desto häufiger vor und
zwar nicht bloss für Votive, die an den Bäumen der Haine schaukelten,
oder an den Wänden hingen, * 2 ) sondern auch um in das Grab mitgegeben
zu werden, wo sie die treue Erfüllung der Begräbnisgebräuche durch die
Zurückgebliebenen abmalten. Alles ist nur Skizze in schwarzer Farbe.
Für den Massenbedarf sind die kleinen Bildchen des Poseidon, der Amplii-
trite oder solche von Scenen aus dem Leben des Weihenden gefertigt,
deren man viele in dem isthmischen Heiligtum fand. 3 ) Um eine Stufe
höher stehen die Votivtafeln des Athenetempels der Akropolis; 4 ) die athe
nischen Grabtafeln von 37—70 cm. Höhe stellen Totenklage und Begräb
nis dar. 5 ) Diese sehr bescheidenen Leistungen, deren Stil wir später in
grösserem Zusammenhänge behandeln, müssen doch zu ihrer Zeit etwas
gegolten haben, da verhältnismässig viele Maler ihren Namen beisetzten.
So kennen wir den Korinthier Timonidas 6 ) und die Athener Skythes, Pa-
se(i)as und Euphiletos. 7 ) Die antike Kunstgeschichte hatte selbstverständ
lich kein besseres Material; 8 ) die Malernamen, welche sie nennt, 9 ) waren
eben auch Votivtafeln beigesetzt. Nicht zufrieden damit, konstruierten
die Ästhetiker eine Entwicklungsgeschichte der Malerei, je nach der Stufe,
welche die verschiedenen Techniken einnahmen. Von der blossen Kontur
sei man zur Zeichnung mit Innenlinien vorgeschritten; Bilder mit einer
Farbe wurden durch vierfärbige abgelöst und das naturwahre Kolorit
bildete den Schluss. Für jede dieser Stufen weiss Plinius einen Namen, 10 )
d. h. sein Gewährsmann kannte ein signiertes Bild in der betreffenden
Technik. Über die Zeitfolge war nichts bekannt, nur Herodot 1 [ ) gibt
einen schwachen Fingerzeig, wenn er erzählt, dass die vor Kroisos fliehen
den Phokäer unter anderem auch die Votivtafeln mitnahmen. Die ganze
erste Periode der Malerei erregte nur ein antiquarisches Interesse; für die
Kunstfreunde ging die Geschichte erst mit Polygnot 12 ) und Kimon 13 ) an.
0 Vielleicht Schöne, Reliefs T. 19, 84;
(Athene in Anslagestellung).
2 ) Erst er es abgeb. auf Vasen: Raoul-
Rochette, lettres archöol, 1, 153 ff.; Bötti
cher, Baumkultus T. 1; letzteres Horat. c.
3, 26, 5 f.
3 ) Ratet, Ga. 6, 101 ff. m. Abb.; A. 1882
T. U 1. 2; Collignon, Mon. grecs 1882—84
Nr. 11 —13 p. 22 ff. (mit Bibliographie); Ant.
Denkm. I T. 7. 8; Rayet et Collignon, cöra-
mique gr. S. XIV f. 142 ff.; Wilisch, alt
korinthische Thonindustrie, Lpg. 1892 S. 31 ff.;
Wormstall, de Corinthiacis tabellis fictilibus,
Münster 1890; unter den Täfelchen befindet
sich eines mit sikyonischer Inschrift (Wilisch
S. 170 f.).
4 ) Bruchstück aus Eleusis: °Ea. 1885 T.
9, 12 Sp. 178 f., vgl. Jahrb. 1,91. Empedokles
spielt auf Votivtafeln an (V. 308 f. St.).
5 ) ’Ea.. 1885 T. 3; Benndorf, griech. u.
sic. Vasenbilder S. 16 zu T. 1 u. J Ed. 1887
Sp. 115 ff. m. T. 2. 6; Furtwängler, Verz.
d. Berl. Vasensamml. 1, 315 ff.; Ant. Denkm.
II T. 9-11; AA. 1893 S. 196 m. Abb.; Ath.
Mitt. 13, 228; Ga. 13, 225; ’Ed. 1888, 181 ff.
T. 11.
6 ) Röhl, Inscr. Gr. ant. 20, 1.
7 ) Klein, griech. Vasen mit Meistersigna
turen S. 2 48 f. (O dürfte ein Spitz
name sein).
8 ) Das Schlachtenbild, welches Bularchos
für Kandaules gemalt haben soll (Plin. 35,
55), beruht anf der unzureichenden Autorität
des Xanthos.
9 ) Plin. 7, 205. 35, 16. 56; Athenag. le-
gatio 14.
10 ) 35, 56 ff. Eumares von Athen unter
scheidet „zuerst“ die Geschlechter, d. h. er
gibt den Frauen weisse Hautfarbe wie die
Maler der schwarzfigurigen Vasen.
n ) 1, 164. Themistokles erneuert die
Bilder in einer Waldkapelle (Plut. Them.
1 a. E.).
12 ) Nach Theophrast war er der erste
Maler (Plin. 7, 205).
13 ) Robert, arch. Märchen S. 128 setzt
Kimon in das 7. Jahrhundert; s. dagegen
Studniczka, Jahrb. 2, 156 ff.