Volltext: Archäologie der Kunst [6, Hauptbd.] (Hauptb. / 1895)

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Klassische Kunstarchäologie. II. Geschichte der alten Kunst. 
waren oder arbeiteten. 1 ) Mit Phalaris verbindet eine bekannte Tradition 
Perillos. 
Die Plastik lernt von dem Ausland nur einige allgemeine Regeln, 
wenn auch zuweilen ein Götterbild ganz ein orientalisches wiedergibt. * 2 ) 
Den Griechen selbst bleibt es Vorbehalten, sich Vorschriften zu machen. 
Was an Haar und Bart der Künstler gegenüber der wirklichen Tracht 
ändert, ist schwer zu sagen; die regelmässige Anordnung desselben 
teilt Griechenland jedenfalls grundsätzlich mit dem Orient. 3 ) Wir unter 
scheiden drei Partien des lang getragenen Haupthaares, die Masse des 
selben, welche am Hinterkopf frei den Kacken hinabfällt oder in einem 
Knoten 4 ) oder in Flechten aufgenommen wird, dann die Umgebung der 
Stirne, welche meist in Löckchen („Stirnlöckchen“) besteht und in der 
Natur oft künstlich angesetzt war, was in der Kunst gleichfalls manchmal 
vorkam, und drittens die auf die Brust herabfallenden Flechten. In diesen 
Punkten hat unsere Periode schwerlich schon den Schein des Natürlichen 
erreicht. Die Wellen des langen Haares geben anfangs kreuzweise Striche 
wieder und die Windungen der Brustlocken sehen wie aus Holz oder Bernstein 
geschnitzt aus. In der Darstellung des Auges lag die jeder Modellierung 
entbehrende Manier (S. 528) voraus; das Auge wird nun schärfer Umrissen 
und von seiner Umgebung abgesetzt, aber der Augapfel bleibt unnatürlich 
herausgetrieben. 5 ) Eine etwas schiefe Stellung der Augen — ein Erbteil 
der orientalischen Kunst, das wohl schlaue Überlegenheit andeuten soll — 
kommt nichts weniger als selten vor, manchmal erreicht sie einen hohen 
Grad, z. B. am Apollo von Thera und attischen Skulpturen; 6 ) die Spitzig- 
keit der Augenwinkel hängt damit zusammen. Unverkennbar ägyptisch 
ist der Hochsitz des Ohres. 7 ) Die Lippen sind oft auffallend dünn; wenn 
sie ein Strich abgrenzt, 8 ) weist dieser am Steinbild wahrscheinlich dem 
Maler die Grenze der roten Farbe. Für das konventionelle Lächeln gibt 
es sehr verschiedene Ausdrucksweisen, die zwischen leicht gekräuselten 
Lippen und einem halbkreisförmigen Mund schwanken. Die Nase hat 
manchmal zwei befremdende Erscheinungsformen, nämlich hochgradige 
Spitzigkeit und dann die Breite des Rückens, 9 ) welche ein Prophet prei 
send mit einem Turm des Libanon vergleichen konnte. Über die Muskeln 
*) Aisopos und seine Brüder: Löwy Nr. 4; 
Aristokles: Nr. 9. 10; Epistemon ? Nr. 18; 
Endoios ? Nr. 8; Aristion von Paros: Nr. 11. 
12; Phaidimos: Athen Nr. 81. 
2 ) Z. B. der „ägyptische“ Herakles in 
Erythrai, der von Tyros her geschwommen 
sein soll (Paus. 7, 5, 5 ff.). 
3 ) Es sind zahlreiche abgebrochene Köpfe 
erhalten, z. B. Athen Nr. 59 ff. 96 ff. (Meh 
rere abgeformt.) Böotischer Kopf in Abg. 
u. Phot.; attische Köpfe im Louvre: Ga. 1887 
T. 11:; Mon. grecs Nr. 17/18 p. 35; Bch. 11, 
446 ff. T. 5; Kopf Jacobsen. Phot, aus der 
Sammlung Ray et: Rayet, etudes T. 1; Col- 
lignon, hist, de la sculpt. 1, 861; aus der 
Sammlung Rampin: Lichtdruck bei Rayet, 
Mon. grecs 1878 T. 2, Kopf vom Ptoion: 
Athen Nr. 1; Zeuskopf: Bruckmann Nr. 221; 
Bronzeköpfe aus Kythera in Berlin (AZ. 1876 
T. 8. 4; Bruckm. 221) und des Zeus, in Olym 
pia (Olympia IV T. 1); altertümlicher Hera- 
kopf in Olympia; Samml. Sabouroff T. 8/4 
(Berlin). 
4 ) Altsyrische Tracht S. 468. 
5 ) Vgl. Conze, über Darst. des menschl. 
Auges S. 6 f. 
6 ) Auffallend an einem athenischen Kopf 
in London: abg. Vaux, handb. to the ant. in 
the Br. M. p. 119 n. 251. 
7 ) Z. B. am Apollo von Thera u. ä ; Sta 
tue von Girgenti: Woltees 153. 
8 ) Jünglingskopf in Dresden, abgeb. AA. 
1889 S. 98; öfter in Bronze. 
9 ) Z. B. Athen Nr. 15; Terrakotten von 
Naukratis: Naucratis I T. 15, 7. 8 (auch ge 
schlitzte Augen).
	        
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