Volltext: Archäologie der Kunst [6, Hauptbd.] (Hauptb. / 1895)

Kap. III, Funde und Ausgrabungen. (§ 10.) 
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selbstgefällige Ahnenkult der Italiener, im besonderen der Römer musste 
das Interesse für alles, was von den „Vorfahren“ stammte, wesentlich 
steigern; kein Wunder, dass gerade der antikisierende Imperator Fried 
rich II. in seinem Lieblingsland Sizilien Grabungen anstellen liess. 1 ) Aber 
erst die sogenannte Renaissancezeit sah zahlreiche Ausgrabungen, welche 
übrigens mit der lebhaften Bauthätigkeit des 16. Jahrhunderts Hand in 
Hand gingen. 2 3 ) Die Italiener hatte ein wahres Fieber ergriffen; wenn 
man von der Verzückung, in welche die Römer über die Leiche der „Tochter 
Ciceros“ gerieten, liest, kann ein Unbefangener kaum umhin, die Sache 
pathologisch zu betrachten. Die Italiener suchten bereits auch auf den 
griechischen Inseln (z. B. auf Chios) 8 ) nach Antiken. Das Ausgraben muss 
man jedoch reinen Raubbau nennen, weil das Ziel die Auffindung möglichst 
vieler beweglicher Gegenstände war. Einige Ordnung brachte erst das 
Breve Leo’s X. vom 27. August 1515 hinein, welches die Anzeige aller 
Funde befahl. 4 ) Die Technik des Ausgrabens und Hebens wurde bald 
sehr vervollkommnet. 5 ) In der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhun 
derts erwachte der Eifer der italienischen Grossgrundbesitzer von neuem, 
mit welchen Hamilton, Fegan und andere Engländer in Wettstreit traten. 
In Griechenland machten während der napoleonischen Zeit spekulative 
Enthusiasten die ersten glücklichen Ausgrabungen auf der Akropolis, in 
Aigina und Phigaleia. Die dritte Epoche bezeichnen die 1823 beginnenden 
Ausgrabungen in Etrurien, wo vor anderen die Güter von Lucian Bona 
parte Massen von Vasen ergaben. Der thätigste Ausgräber war bis jetzt 
jedenfalls Alessandro Francois, dessen Wirksamkeit sich vom Jahre 1819 
bis 1857 erstreckte, 6 ) der bekannteste Heinrich Schliemann (f 1891). 7 ) 
Der Raubbau ist jetzt nur noch den Gesetzen zum Trotz möglich, 
blüht aber nichtsdestoweniger allenthalben; ihm entstammen z. B. die 
zahlreichen Terrakottaköpfchen aus Griechenland, welche den beschädigten 
Figuren abgebrochen werden. Eine planmässige Ausgrabung kennzeichnet 
sich sofort durch die Berücksichtigung der Topographie. Raphael soll 
bereits 1519 beantragt haben, das antike Rom freizulegen, doch steht die 
Autorschaft des phantastischen Schriftstückes 8 ) nicht fest. Herculaneum 
(seit 1738) 9 ) und bald auch Pompeji ,0 ) wurden die hohe Schule des Grabens, 
wenn auch anfangs noch der Gedanke, möglichst vieles aus der Erde 
herauszuholen, herrschte. Mit den Bourbonen wetteifernd, Hessen die Her- 
9 Raumer, Hohenstaufen III 2 419. 
2 ) Z. B. als Sixtus Y. die 1581 vollendete 
Villa Peretti baute (Huebner, vie de Sixte V. 
I p. 288 f.). 
3 ) Ilg, über den kunsthist. Wert der 
Hypnerotomachie S. 50. 
4 ) Bei Fea, viaggio ad Ostia p. 91. 
5 ) Hebung der Antoninssäule 1705, in 
Kupfer gestochen von Arn. v. Westerhout. 
6 ) Conestabile, Archivio storico 1858 
VII 1 ff.; seinen Namen trägt die Fran^is- 
vase, deren Auffindung er selbst A. 1848 
p. 299 ff. erzählt. 
7 ) Brückner , Heinrich Schliemanns 
Selbstbiographie, Lpg. 1892; Schuchardt, 
Schliemanns Ausgrabungen, 2. A. Lpg. 1898 
(englisch 1891). 
8 ) Raffaello d’Urbino. Lettera sulle anti- 
chitä di Roma scritta a Papa Leone X. con 
note di P. E. Visconti, Roma 1834; Sprin 
ger, Raffael 2, 125 f. 369 f. 
9 ) M. Ruggiero, storia degli scavi di 
Ercolano, Nap. 1886 m. 12 T. 
10 ) Gius. Fiorelli, Pompejanarum anti- 
quitatum historia, Nap. 1860—62, Bd. I. J. 
1748—1818, Bd. II. 1819—60; fortgesetzt 
unter dem Titel: gli scavi di Pompei dal 
1861 al 1872, Nap. 1873, m. 20 T.
	        
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