Volltext: Archäologie der Kunst [6, Hauptbd.] (Hauptb. / 1895)

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Klassische Kunstarchäologie. Q. Geschichte der alten Kunst. 
falls ein babylonisches Ornament. Das religiöse Gefühl war bei den Baby 
loniern sehr stark entwickelt; ihre alten Inschriften reden von weltlichen 
Dingen wenig, desto mehr von Tempelbauten und Weihegaben. Natürlich 
stand das Amulet- und Talismanwesen in voller Blüte. 1 ) 
Betrachtet man, von dem heutigen Verfalle ausgehend, die Blüte des 
Zweiströmelandes und vergleicht sie mit Ägypten, so darf mit Zuversicht 
behauptet werden, dass ein alle wichtigen Uferstrecken beherrschender 
Despot die Einwohner zur mühseligen, aber erfolgreichen Kanalisierung 
des Landes zwang und damit dessen Reichtum begründete. In der Folge 
zeit, die wir durch Urkunden kennen, erscheinen Fürsten, deren materielle 
Macht meist beschränkt ist; indes haben sie das Königtum von Gottes 
Gnaden voll ausgeübt. Der König kämpft im Bilde, wie ein Heros, mit 
einem aufgerichteten Löwen; * 2 ) er wohnt stets über seinen Unterthanen 
auf einer künstlichen Erhöhung. Mit Göttern will er wie mit seines Gleichen 
verkehren; zahllose Cylinder zeigen, wie eine Gottheit ihn an der Hand 
einer andern zuführt. Alle Leute seines Reiches müssen ihm .dienen. Er 
lässt, wie Gudea’s Inschriften breit auseinandersetzen, auf Schiffen „seltene“ 
Steine und kostbare Baumstämme kommen, die zu Hause sicherlich frohn- 
dende Unterthanen bearbeiten müssen. In den Grund jedes öffentlichen 
Baues kommt eine Urkunde mit seiner Inschrift (Baucylinder); jeder Ziegel 
empfängt den königlichen Stempel. In diesen kleineren Verhältnissen 
scheint der König sich persönlich um die Kunst mehr angenommen zu 
haben als ein Pharao. 3 ) Wie die Künstler organisiert waren, wissen wir 
nicht; sie bildeten wohl Zünfte, welche mehr als einen Schutzpatron hatten, 
Pasag, den Gott der Arbeiten, den Feuergott Gibil, dann Adar den Herrn 
des Eisens und der Ziegel und endlich den starken Ea. 4 ) 
311. Das Land selbst hatte den Bildnern Holz so gut wie gar nicht 
zu bieten. Die Wälder scheinen ganz ausgerodet worden zu sein; die 
Cypressen und Cedern bildeten wohl nur Lustgärten der Götter und Könige, 5 ) 
so dass das Bauholz weit, bis vom Amanusgebirge her kam. Unter diesen 
Umständen musste eine nationale Holzskulptur fehlen, wenn auch aus jenen 
kostbaren Hölzern manches Götterbild geworden sein mag. Den grössten 
Reichtum hatte das Land an Lehm, welchen gewiss viele Töpfer auch zu 
Figuren formten. Unter den kleinen Votivfiguren von Terrakotta, die 
wir haben, war die Mehrzahl offenbar für das niedere Volk bestimmt, 
daher die Erde schlecht gereinigt, aus einer einseitigen Form gedrückt 
und nachlässig gebrannt; 6 ) die einstige Bemalung dürfte nicht auf einer 
höheren Stufe gestanden sein. Spuren von Talent begegnen selten; 7 ) im 
allgemeinen wird man die hübscheren Figuren späteren Zeiten zuweisen 
*) Fischer u. Wiedemann, über baby- 
lon. Talismane, Stuttg. 1881 m. T. u. Abb. 
2 ) Menant, glypt. p. 75 ff.; aufgerichtete 
Tiere schon auf Cylindern von Hammurabi, 
vgl. Am. J. II T. 5, 1. 6, 14. 
3 ) Man sehe Gudea’s Inschriften. 
4 ) Gudea’e Inschr. B VIII 63 f.; Tiele 
2, 520. 529. 
5 ) Vgl. Arrian. An. 7, 19, 4; Strab. 16, 
1,11; kgl. Cedernhain: Jeremias, Izdubar 
S. 22. 32. 
6 ) Die Figuren bei de Sarzec T. 39, 1. 
2. 4 dürften sehr alt sein; s. auch Perrot 
F, 240. 241. 298; Heuzey, Ra. n. s. 39, 1 ff. 
u. terrescuites du Louvre T. 2 (Nr. 5 ist wohl 
alt); A. Dumont, terrescuites orientales et 
greco-or.: Chaldöe Assyrie Phenicie Chypre 
et Rhodes, Paris 1874; Astartefiguren mit 
monströsen Geschlechtszeichen: Ga. IIp. 63,2. 
7 ) Berliner Antiq. 2398.
	        
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