Volltext: Archäologie der Kunst [6, Hauptbd.] (Hauptb. / 1895)

Kap. III. Die ägyptische Kunst des alten u. mittleren Reiches. (§ 308.) 443 
Künstlers; Canova’s „siegreiche Venus“ beruht im Grunde auf den gleichen 
Prinzipien. Tiere werden gewöhnlich im Profil abgebildet, en face nur 
die Augen; breitstirnige Gesichter und Hörner erfahren verschiedenartige 
Behandlung. 1 ) Entsprechend der Profilstellung der Schultern und Beine 
steht die vom Beschauer weiter entfernte Extremität voran. Dasselbe gilt 
bei der weiblichen Brust, während die andere einfach in Wegfall kommt. 
Das Flächenprinzip zieht natürlich auc/h das Decken von Personen in seinen 
Bereich. Stehen Menschen oder Tiere neben einander, so hilft man sich 
mit einer Art von Multiplikation: Die gleiche Figur wird immer wieder 
holt und gerne alle oder bei grösserer Anzahl je ein Paar so zusammen 
gefasst, dass von den hinteren Personen oder Tieren nur der eine Contour 
parallel mit dem Vordermann sichtbar wird (T. II 12); * 2 ) grössere Mengen 
ordnet der Ägypter säuberlich in horizontale Streifen. 3 ) Wo diese Gleich 
artigkeit nicht besteht, wird der Augenwinkel höher gerückt und nun er 
scheinen die Dinge über statt hinter einander; am sonderbarsten nimmt 
sich bei dieser Flächenmanier ein tiefes Gebäude aus. Wird der Zeichner 
mithin durch die Rücksicht auf die Relieffläche fortwährend eingeengt, so 
darf er daneben auch die Etiketterücksichten nicht aus den Augen lassen. 
König und Unterthan, Herrn und Diener muss der Beschauer sofort an 
ihrer verschiedenen Grösse unterscheiden. Rechts ist die glückliche Seite, 
welcher sich alle Personen womöglich zuzuwenden haben; muss der Zeich 
ner aber doch einmal jemand nach links sehen lassen, so dreht er bloss 
sein gewohntes Schema mechanisch um oder, wenn er davon abweicht, 
verzeichnet er sich seltsam. 4 * ) Nehmen wir noch dazu, dass die Bilder 
grosse Hieroglypheninschriften begleiten oder selbst durch Beischriften Er 
läuterung empfangen, so ergibt es sich als Notwendigkeit, dass die Haupt 
masse der Zeichnungen sich aus stehenden Typen zusammensetzt, welche 
im Grunde den Ideogrammen (Hieroglyphen, welche einen Begriff aus- 
drücken) gleichstehen; dies trifft am meisten bei der landschaftlichen Um 
gebung zu, wenn z. B. das Wasser selbst in einen Becken durch die hiero- 
glyphische Zickzacklinie ausgedrückt wird/’) Die Figuren erhalten gleich 
Buchstaben eine bestimmte Form, die jeder Schüler lernt, und unter 
scheiden sich nach den einzelnen Bildern nicht mehr, als die Schriftzüge 
in Codices des gleichen Jahrhunderts. Diese Weise bringt eigentümliche 
Erscheinungen mit sich: Derselbe Typus wird wie aus der Schablone in 
dem gleichen Bilde wiederholt (T. II F. 11). 6 ) Der weniger geübte Zeichner 
überzieht die Wand mit einem Netz von Quadraten und braucht nun die 
Proportionen bloss nach der memorierten Ziffer der Quadrate einzutragen. 
Doch waren diese Regeln nicht jederzeit gleich; 7 ) die Kunstgeschichte wird 
b Eulengesichter en face; ebenso Hörner 
von Ochsen und Gazellen: Lepsius 2, 6.23; 
Mariette, Mastabas p. 384 (dabei aber nur 
ein Ohr). 
2 ) Vgl. Perrot 456, auch 472. 
3 ) Perrot 298. 
4 ) Der Stock oder was sonst die Linke 
hält, geht hinter dem Körper hervor (Lepsius 
2, 21 == Erman 2, 533); die beiden Scepter 
und die Seiten des Galaschurzes werden, wie 
die Statuen zeigen, vertauscht. Verzeich 
nungen: Lepsius 2, 18. 19. 21. 32. Linksge 
kehrte Hände richtiger in einem Bilde des 
mittleren Reiches: Lepsius 2, 121. 
5 ) Perrot 97, in einem Becken 551. 586. 
6 ) Lepsius 3, 34. 35. 115. 125. 135; Per 
rot F. 172.253.254; Ed. MeyerS. 56; Cham- 
pollion, mon. 369 = Perrot 170. 
7 ) Perrot 513 (aus der 18. Dynastie). 
514 (aus der 19.); Lepsius 3,70. 152. 12
	        
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