Volltext: Archäologie der Kunst [6, Hauptbd.] (Hauptb. / 1895)

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Klassische Kunstarchäologie. II. Geschichte der alten fiunst. 
Handel kamen. Allein jedes Jahrzehnt vermehrt jetzt unsere Kenntnisse; 
wir kennen bereits ähnliche Gegenstände aus der Höhle von Freudenthal 
und vom Schweizerbild bei Schaffhausen wie auch aus den mährischen 
Höhlen von Kulna, Kostelik und Prerau. Sie alle tragen ein gemeinsames Ge 
präge : Technisch betrachtet, drückt sich der Kunsttrieb aus durch Gravieren 
und Schnitzen. Unter den bearbeiteten Stoffen ragen (da Holzarbeiten sich 
nicht erhalten konnten) die tierischen hervor, nämlich Bein und Horn, während 
der Stein noch wenig benützt wird; doch gibt es kleine Steinplatten mit gra 
vierten Zeichnungsversuchen und ornamentierte Kiesel. J ) Jene Schnitzereien 
und Gravierungen waren nicht selbständig, sondern scheinen zu Griffen oder 
Herrscherstäben gedient zu haben; der erstere Zweck nötigt, Stellungen,welche 
aus der geraden Linie nicht weit heraustreten, zu wählen, z. B. legt ein Tier 
aus der Dordogne das Geweih zurück, zieht die Yorderläufe ein und streckt 
die Hinterbeine aus. Dargestellt werden meist Tiere in ganzer Figur oder 
nur Köpfe, und zwar rühmen Paläontologen deren naturgetreue Wieder 
gabe. Menschen werden ebenfalls, doch seltener abgebildet; sie tragen 
keine Kleider, sondern Streifen am Rücken, welche entweder Haare oder 
Tättowierung bedeuten. Die Ornamentierung beruht auf dem Einkerben 
und Stricheln, wie die der Gefässe, falls solche Höhlenfunde wirklich schon 
in diese Periode gehören, * 2 ) auf den Eindrücken der geflochtenen Form; sie 
ist also rein technisch und noch stillos. Dass schon damals ein Handel 
mit Zierstücken existierte, dies thun die am Schweizerbild aufgefundenen 
fremden Muscheln und Ringe des Röhrenwurmes dar. Eine Zeitbestim 
mung wird man nicht von uns verlangen; kein Übergang führt — vor 
läufig — zur nächsten Periode. 
Litteratur: Einen Überblick gibt Joh. Ranke, Anfänge der Kunst, Berlin 1879 
(Sammlung gemeinverst. Vorträge XIV 318); vgl. auch Hartmann, Ztsch. f. Ethnol. 2, 223 ff.; 
Fraas, das. 10, 241 ff.; E. Grosse, die Anfänge der Kunst, Freiburg 1894 S. 156 ff. (in Ver 
mengung mit der Kunst der „Naturvölker“). Südfranzösische Funde: F. Lartet u. H'. 
Christy, reliquiae Aquitanicae, London 1865—75 (engl.) mit Atlas (Abt. B enthält die 
Schnitzereien) u. Ra. n. s. 9, 233 ff.; Andierne, de F origine et l’enfance des arts en Perigord, 
Perigueux 1863; Abb. auch bei Molon, preistorici 1, 7-10; die Höhlenzeit Frankreichs ist 
von Al. Bertrand, les origines. La Gaule avant les Gaulois, 2. Auf!., Paris 1892 u. Sal. 
Reinach in seinem Katalog von St. Germain (S. 138) eingehend behandelt. Höhle von 
Veirier bei Genf: Abb. im B. de l’inst. genevois 15, 372 u. Arch. des Sciences ph. et nat. 
31 (Genf 1868), 249; Kesslerloch bei Thayingen: veröff. von der Züricher Gesellschaft, 
danach Lee, excavations at the Kesslerloch, London 1876; Debatte bei der Konstanzer 
Anthropologenversammlung (Anthr. Corr. 1877, 103 ff. m. 3 T.); gegen die Echtheit Linden- 
schmit, Arch. f. Anthrop. 1876 (der zwei wirkliche Fälschungen nachwies), weniger schroff 
Ecker, Allg. Ztg. 1887 Beil. Nr. 303. 304; Sammlungen im Rosgarten-Museum zu Konstanz; 
Schweizerbild bei Schaffhausen, Anthr. Corr. 1892, 110 f.; Funde bei Andernach: Anthr. 
Corr. 1883 S. 126 f.; aus einem Mammuthknochen geschnitzte menschliche Figur bei Brünn: 
das. 1892 S. 38; Höhlen von Mähren: S. 159. Über die Höhlen der Diluvialzeit überhaupt 
s. S. 338 f. Zum Vergleiche zieht man die auf den gleichen Materialien beruhende Kunst 
der Eskimo (Abb. bei Worsaae, colonisation de la Russie) und der „Naturvölker“ (Andree, 
das Zeichnen bei den Naturvölkern, Mitt. d. anthr. Ges. in Wien XVII.) heran, doch haben 
diese alle schon viele Einwirkungen verschiedener Perioden hinter sich. 
Wir knüpfen hier das „Prähistorische“ an, weil dasselbe in einer Geschichte 
! ) Lartet a. Christie, reliquiae Aqui 
tanicae A T. 29; eine Platte mit Tierfiguren 
am Schweizerbild gefunden. 
2 ) Über Funde in Württemberg und 
Schwaben O. Fraas, Anthrop. Corresp. 1876 
S. 56 ff.; oberfränkische: Joh. Ranke, Beitr. 
z. Anthrop. u. Urgesch. Bayerns 2, 195 ff. 
T. 12. 13, besonders S. 215 ff. Da die Höhlen 
später noch oft besiedelt wurden, geriet 
manches in die tieferen Schichten.
	        
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