Volltext: Archäologie der Kunst [6, Hauptbd.] (Hauptb. / 1895)

Kap. X. Die eigentlichen Künste. (§ 299.) 
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und streicht sie zur Probe auf seine Palette, deren Form damals eine volle 
nicht durchlochte Scheibe oder eine grosse Muschel war. 1 ) In Ägypten 
fanden sich zahlreiche Paletten vor, deren Farbenzahl sich gewöhnlich auf 
sieben beläuft, manchmal jedoch bis auf elf und zwölf steigt. Auf der Pa 
lette tönt der Künstler die Farben ab (cp^oQd); zwischen einer und der 
andern reinigt er den Pinsel an einem feuchten Schwamm. * 2 ) Malt er ein 
Tafelbild, so stellt er es auf eine dreieckige Staffelei, ein grösseres jedoch 
in ein Holzgerüst; Dilettanten Hessen sich von einem Sklaven das Bild 
halten. 3 ) Die Anlage des Gemäldes liegt bei weitem nicht so klar; doch 
kann man immerhin einiges feststellen. Seine Studien und Übungen macht 
der Maler auf einem Holztäfelchen oder auf Pergament; freilich sind die 
Handzeichnungen anscheinend nicht so bedeutend wie in der neueren 
Kunst. Indes schätzten die Künstler die Skizzen des Parrhasios. 4 ) Das 
Gemälde selbst nahm seinen Anfang mit Skizzierung der Umrisse, wozu 
Griffel und Zirkel dienten. 5 ) Nun begann, wenigstens in der entwickelten 
Malerei, das Untermalen (vTtoyQccfpsw) mit einem eigenen Pinsel {vTzoygucpiq), 
worauf die Lasurfarben, am liebsten „blühende, saftige“ Töne, aufgesetzt 
wurden. 6 ) Plato sagt, die Maler seien unermüdlich im Schattieren und 
Vertiefen. 7 ) Korrekturen (.Pentimenti) kommen in der bekannten Anekdote 
von Apelles und dem Schuster vor. Die Übergänge der Farben wurden 
sorgfältig vermittelt. 8 ) Unsere Vorstellungen von Malerei dürfen wir 
freilich nicht auf das Altertum anwenden; eher möchten die Tempera 
bilder des Mittelalters zu vergleichen sein. Mit diesen haben die alten 
Bilder z. B. dies gemeinsam, dass Goldfarbe angewendet und diese auf 
einer Unterlage aufgetragen wird. 9 ) In der alten Zeit mögen ebenso tiefe 
Differenzen geherrscht haben wie in der neueren; die dilettantischen Schrift 
steller sprechen nur von dem langsam tüftelnden Protogenes, dessen „Ia- 
lysos“ eine vierfache Farbenschicht gehabt haben soll, 10 ) einerseits und 
von Schnellmalern andererseits. 11 ) 
Über Kolorit und Licht zu reden, genügen litterarische Quellen nie 
mals. Die physiologischen Verhältnisse der Farben bleiben bei allen 
Völkern gleich; man darf nur nicht mit den Empfindungen des Auges 
den sprachlichen Ausdruck derselben oder auch die Mischkunst der Maler 
verwechseln, z. B. wenn in Ägypten blau statt bläulichgrau gemalt wird. 12 ) 
x ) Vgl. Sen. ep. 121, 5; Plat. Phaed. 
110b; abgebildet in dem Bild bei Helbig 
1448 (Blümner S. 459 und Donner, Wand 
malereien S. 109 F. 29); concbae Dig. 88, 7, 
17, abgeb. in dem Bild bei Helbig Nr. 1444 
T. 4 (Blümner S. 460; Schreiber Atlas T. 9, 
8); Vasenbild Mus. Greg. II 16, 1 (Schreiber 
T. 9, 4j. 
2 ) Sext. Emp. Pyrrh. 1,28; Plin. 25, 
108; vgl. Plut. de fort. p. 99 b; Dio Chrys. 
or. 68, 5. 
3 ) Staffelei: Poll. 7, 129; abgeb. in der 
Pygmäenwerkstätte und dem erwähnten Re 
lief ; Holzgerüst: Plin. 85, 81; Sklave: Helbig 
1448—4. 
4 ) Plin. 85, 68. 
5 ) Abgeb. an dem erwähnten Grabstein. 
IlQovnoyQdcpeiv Schol. B Townl. 255. 
Anderes bei Blümner S. 421. 424 f. Die 
Ausdrücke diayQacpr), xardyQcccpop, xararof^rj 
Hesycli. sind unklar. 
6 ) 3 Em/QCüaeic; Plut. Aristoph. et Men. 
8 p. 854B; vgl. Blümner S. 427. 
7 ) Leg. 6 p. 769 a. 
8 ) "ÄQ^oyrj Plin. 35, 29; dnoyQcdveiv Ti- 
maios p. 264. 
9 ) Violett nach Champollion, lettres d’ 
Eg. et de Nubie p. 130. 
10 ) Plin. 35, 102. 
n ) Plut. lib. educ. 9. 
12 ) Lepsius, die Metalle in den ägyp 
tischen Inschriften S. 110 f. Die grüne
	        
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