Volltext: Archäologie der Kunst [6, Hauptbd.] (Hauptb. / 1895)

Kap. IX. Die Werke der Baukunst. (§ 291.) 
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thore. 1 ) Wir hörten schon von dem Thorbogen (S. 319) und der Lünette 
(S. 332). Abgesehen von den Zinnen, kommen häufig zwei flankierende 
Türme dazu, manchmal steht ein dritter über dem Thore selbst; * 2 ) die 
Thorflügel selbst trugen technischen Schmuck mit Getäfel und Nägeln oder 
Buckeln. 3 ) Da ein Thorweg die Sicherheit vermehrte, ergab sich ein so 
tiefer Raum, dass oben ein vorspringender Balkon angebracht werden 
konnte, von welchem die alten Fürsten und Geronten den Kampf beschau 
ten. 4 ) Im Dipylon von Athen wur(|/e statt dessen ein Zwischenhof an 
gelegt, in welchem eingedrungene Angreifer sich fingen. 5 ) Als plastischen 
Schmuck erhielten die alten Thore symbolische Reliefplatten mit Löwen. 6 ) 
In langen Friedenszeiten jedoch, wo man den Krieg vergass, wurde das 
Thor mehr zu einem Zierstück der Stadt; als z. B. das Thor von Volterra 
umgebaut wurde, fügte der Magistrat einen Kragstein mit Köpfen ein. 7 ) 
Neue Bauten fielen noch schöner aus, wofür die Porta Martia von Perugia 
als Beispiel gelten mag. Hier ist der Bogen mit je einem Kopfe flankiert; 
über demselben sind die alten Baikone mit Zuschauern und selbst Pferden 
imitiert. 8 ) Wenn nun das Thor nicht mehr eine blosse Unterbrechung der 
Schutzmauer, sondern eine Stadtzierde ist, warum sollte man es nicht in 
eine Strasse stellen, wo es den Verkehr nicht sonderlich hinderte, weil der 
Wagenverkehr im Altertum grossen Beschränkungen unterlag, und wo es die 
Einförmigkeit einer Strassenlinie unterbrach oder einen Platz malerisch 
abschloss ? Aus dieser Erwägung entsprangen die selbständigen Bögen und 
die vier Ausgänge besitzenden Thore. Der Janus quadrifrons auf dem 
forum boarium, 9 ) dem Nervaforum und an anderen Strassenkreuzungen 
Roms hatte an den TSTqaTtvla syrischer Städte ein Seitenstück. 10 ) 
Hier sollen gleich auch die übrigen Verteidigungswerke, welche nicht 
zu einer Stadt gehören, kurz aufgezählt werden. Die Zufluchtsorte (refugia) 
der ländlichen Bevölkerung sind bereits erwähnt; zu ihnen gehören auch 
die Warttürme (nvqyoi, später ^lovonvQyia, speculae), die namentlich auf 
den griechischen Inseln und den Ufern des benachbarten Festlandes 11 ) 
sich erhalten haben, freilich im Mittelalter vielfach umgebaut und ver 
mehrt worden sind. Sie hatten, ähnlich wie die Warttürme im Nordosten 
Persiens, den Zweck, bei einem räuberischen Einfall die Bauern zu warnen 
und ihnen so lange Zuflucht zu gewähren, bis die Räuber sich wieder ent- 
9 Daher die orientalische Ausdrucks- 
weise „die Thore von Sion“ (Psalm. 86) 
u. dgl. 
а ) Z. B. Münze von Trajanopolis unter 
Caracalla, Brit. M. Thracia p. 178. 
3 ) Vgl. dieselbe Münze. 
4 ) 2 Sam. 18, 24; ebenso bei Homer (II. 
T) und vielleicht bei Hesiod (Asp. 246) an 
zunehmen. 
B ) Lölling, Topogr. v. Athen § 10. 
б ) Z. B. das Löwenthor von Mykene 
und ein Thor von Akanthos (Friederichs- 
Wolters 122). 
7 ) S. 819; ähnlich Porta di Giove in 
Falerii: Dennis 1 s 97. 
8 ) Durm, Bauk. d. Etr. S. 20 u. Ztsch. 
f. bild. K. 1, 21; jetzt ist das Thor abgetra 
gen. Beachtung verdient auch der benach 
barte Arco d’Augusto (abgeb. Dennis H 
3 419); Prachtthor des Hadrian in Adalia: Lan- 
ckoronski, Pamphylien T. 6, Details T. 7. 8 
S. 20 ff. 
9 ) Reber, Ruinen Roms S. 844 ff. 
10 ) Expos, mundi 26. 88; Nicephorus 
16, 28; inschriftlich aus Afrika bezeugt: 
CIL. 8, 7087—8; auch in Konstantinopel. 
1 9 Auf Lesbos, um Kolophon, Kane und 
Pitane (Philol. Wochenschr. 1888 Sp. 94); 
vgl. Procop. de aedif. 4, 5; F. Keller, die 
röm. Warten (speculae) längs des Rheinufers 
vom Bodensee bis Basel, Anz. f. Schweiz. 
Altertumsk. 1, 237 ff. T. 21.
	        
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