Volltext: Archäologie der Kunst [6, Hauptbd.] (Hauptb. / 1895)

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Klassische Kunstarchäologie. I. Denkmälerkunde, 
Hiemit hat das Heroon 1 ) Berührungspunkte; denn auf die Wohnung des 
Heros kommt es hier weniger an, wenn sie auch äusserlich im Mittel 
punkte steht. Sie kann z. B. in einem Sarkophag oder einer Urne auf 
einer Säule * 2 ) bestehen. Mehr Gewicht legte man jedoch auf geeignete 
Yersammlungsstätten der Hinterbliebenen, welche sich zu einer Kultgesell 
schaft zusammengethan haben; 3 ) eine solche braucht einen, von einer 
Mauer umgebenen Hof (arjxog), welcher mit Säulengängen und mehreren 
Zimmern ausgestattet sein kann, 4 ) auch mag des Schattens wegen eire 
Baumpflanzung nicht fehlen; 5 ) das Heroon von Trysa (S. 95) hat im 
Verein mit Inschriften diese wichtige Einrichtung des Altertums klar gelegt. 
288. Nicht die Tempel an sich, sondern die eben erwähnten Anlagen 
und die Mysterienheiligtümer (S. 361) stehen als Versammlungsplätze den 
Religionsgebäuden der Juden und Christen nahe. Die Synagoge ist, wie 
ihr Name besagt, ein Versammlungsraum, von welchem die Religion oben 
drein jedes Bild ausschliesst. 6 ) Die christliche Kirche ist ebenfalls nicht 
die Wohnung der Gottheit, sondern ein Versammlungshaus. Vor Constan- 
tin 7 ) schloss sie sich gewiss äusserlich den Privathäusern oder den S. 36B 
besprochenen Anlagen religiöser Genossenschaften an; ihr voller Name 
war o zrjg exx^rfiiccg oixog, ecclesiastica domus oder synonymes. 8 ) Nach dem 
Siege des Christentums suchten die Gemeindevorstände begreiflicherweise 
nicht in den heidnischen Tempeln das Vorbild der neuzuschaffenden monu 
mentalen Bauten, sondern wählten die ägyptisch-römische Form des pro 
fanen Versammlungssaales, der Basilika; doch diese wichtige Frage wird 
weiter unten (§ 292) zur Sprache kommen. Der polygonen und runden 
Formen haben wir schon früher (S. 323 f.) gedacht; sie eigneten sich sehr 
gut zu Taufkirchen (Baptisterien). Die Kreuzform des Presbyteriums 
oder des Ganzen, wobei eine Kuppel über dem Schnittpunkte sich erheben 
kann, reicht bereits in das Altertum hinauf; 9 ) nur eine Abart ist die 
T-Form (crux commissa) der ältesten Basiliken von St. Peter und St. Paul 
in Rom. Äusserlich weicht die Grabkirche, welche den in einer unterirdi 
schen Crypta ruhenden Leib eines Heiligen umschliesst, nicht ab. 10 ) An 
die Kirche schliesst sich die Bischofswohnung, wozu in der alten Zeit noch 
9 Roschers Lexikon I 2498 ff. 
2 ) Paus. 9, 80, 7; abgeh. MB. 8, 18 und 
wahrscheinlich auf archaischen Münzen von 
Posiclonia (Imhoof, choix T. 8,259); vgl. S. 345. 
3 ) Bei einer Grabkammer hatte das Vor 
zimmer diesen Zweck. Als Grabtempel dürfte 
S. Urbano bei Rom, das angebliche Grab der 
Annia Regilla (Bergau, Philol. 45, 465 ff.) zu 
bezeichnen sein. 
4 ) Vgl. Paus. 2, 29, 6; Diod. 20, 100, 4; 
Kleinasiatische Inschriften bei Benndorf, 
Heroon S. 48; Testament der Epikteta von 
Thera: CIG. II 2448 = Caüer, del. 2 148 u. ö. 
Ebenso bei den Christen cellae coemiteriales. 
5 ) Inschrift J Ecp. <%. 1884 S. 164 f. 
6 ) Bedeutende Ruinen scheinen ausser 
Palästina (vgl. S. 83 den Survey of Western 
Palestina) nicht vorhanden; dreischiffige in 
Alexandrien (162 v. Chr. gebaut) nach dem 
Talmud (Mitt. d. Centralkomm. 1859 S. 88); 
Benjamin von Tudela sah eine sehr alte 
ausserhalb Memphis (p. 119 Lempereur). 
7 ) Erwähnt in den Acta S. Theodoti, bei 
Epiphanios (!AdQiävsia genannt), Optatus 
(schism. Don. 1, 2), Eusebios (h. e. 7,13. 30. 
8, 2) u. A. 
8 ) Euseb. h. e. 7, 30; Salvian. gub. d. 
1, 21. 
9 ) Grabkirche der Galla Placidia in Ra 
venna (mit Kuppel); Apostelkirche in Kon 
stantinopel, von Justinian umgebaut (Procop. 
aedif. I p. 187) u. A.; s. Aayißccxrjg, elg/cao- 
loyia rrjg [Aovrjg Aacpviov p. 83. 
10 ) Hl. Irenaeus in Lyon, 5. Jahrh.; 
Avitus in Orleans, 5./6. Jahrh.; Benignus in 
Dijon, 6. Jahrh. Daher wohl die unterirdi 
schen Kapellen der Terra d’Otranto (vgl. 
Ch. Diehl, MdL d’arch. 12, 379 ff).
	        
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