Volltext: Archäologie der Kunst [6, Hauptbd.] (Hauptb. / 1895)

Kap. IX. Die "Werke der Baukunst. (§ 287.) 
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Gott erinnernden Symboles sorgen muss. Auf dem Lande allerdings oder 
auch im Stadtgebiet, freilich als Überrest alter Bauernsitte, besteht der 
einfache Brauch, ein Götterbild — auf einem Postament, versteht sich — 
an eine erfrischende Quelle 1 ) und unter den Schatten eines Baumes, 2 ) oder 
in den Stamm, beziehungsweise in das Geäst zu stellen. 3 ) Privatleute 
und Fürsten 4 ) räumen der Gottheit einen Teil ihres Hauses als Haus 
kapelle ein. 
287. Indem aber der Gottesdienst sich über die Schranken der Familie 
erhebt, braucht man einen selbständigen Wohnraum, welcher überdies das 
konkrete Bild den profanen Augen entzieht. Bei nomadisierenden Völkern 
kam nun die fahrbare Gotteshütte auf, 5 ) mit welcher die tragbaren Ka 
pellen der späteren Zeit zu vergleichen sind; letztere hatten nämlich die 
Ägypter bei ihren Prozessionen. 6 7 ) Sesshafte Völker dagegen errichteten 
einfache Hütten, welche bei den Negern und Melanesiern noch im Ge 
brauche stehen (Fetischhütten). Das älteste Heiligtum in Delphi, das 
Penatenheiligtum von Lavinium, die Kapellen der Lares Compitales und 
andere altitalische Heiligtümer waren nichts anderes als solche runde 
Hütten. Deren Form wird im Vestakulte getreulich festgehalten und von 
den Römern, wie es scheint, auf manche andere Götter übertragen; die 
hervorragendste Leistung ist das Pantheon. 8 ) In einer steinernen Hütte, 
welche fünf Steinblöcke bildeten, bestand der Bau des Trophonios und 
Agamedes in Delphi. 9 ) Später erhielt sich noch die Form des Schutz 
daches, welches auf vier Säulen (tstqccmoviov), 10 ) oder einem Kreise von 
solchen (.Monopteros, S. 331) ruht, oder es wurde das Gehäuse (zotheco) in 
einen Tempel gestellt. 11 ) 
Grössere Tempelanlagen gehen von dem Grundsatz aus, dass das 
Heilige wohl eingefriedigt werden müsse. So bestehen die ältesten Tempel 
9 Anthol. Planud. I 12. 18; Zenodotos, 
Anthol. Plan. I 14. 
2 ) Anthol. Plan. I 14; abgebildet in dem 
oben angeführten Wandgemälde. 
3 ) 8 Reg. 14, 28; Dion. Per. 828; Kallim. 
h. Art. 239; Inschrift von Magnesia, 'EarLa 
2. Dez. 1890; daher wird Europa auf Münzen 
von Gortys in den Zweigen der Platane ab- 
gebildet; Hesiod sagt von dem dodonäischen 
Zeus: vaTsv d’ep nvft^epL cprjyov. 
4 ) Erechtheion; Palast des Latinus: 
Verg. A. 7, 174; ebenso jedenfalls in Tiryns, 
Mykene und Hissarlyk VI. Leider sind die 
Fundorte der Votivfiguren zu wenig beachtet. 
5 ) Palästina: Bundeslade; Sanchuniathon 
bei Euseb. praep. ev. 1, 10, 10. Phrygien: 
durch die Votivbilder der Göttermutter an 
gedeutet; Latium: Cass. Dio 39, 120, 1; 
eherne Kapelle der Musen: Serv. Verg. 
A. 1, 8. 
6 ) Mariette, Abydos II T. 19 c; Perrot 
I 210. Vgl. Herod. 2, 63; Diod. 1, 87. 
7 ) Paus. 10, 5, 5; Krinagoras Anth. 6, 
258; Dion. Halic. 1, 57. 3, 70. 4, 14; Plut. 
Camill. 32. Numa 8; abgehildet auf Medail 
lons (Fröhner, medaillons S. 59; Klausen, 
Aeneas I T. 2, 12), ferner Mariette, Masta 
bas 74 u. mon. div. 18 b = Erman, Ägypten 
2, 379; spitze Mithrashütten z. B. A. 1864 t. 
K; vgl. auch eine Goldmünze des baktrischen 
Königs Kanerki (Kondakof, antiquites S. 348) 
und das Relief A. 1849 t. N S. 392. Eine 
Petischhütte ist auch der von Chryses dem 
Apollo errichtete Naos. 
8 ) Vestatempel in Rom: O. Richtür, 
Topographie § 27, 9; nicht zu benennender 
(S. Maria del Sole) am Tiber; sog. Sibyllen 
tempel in Tibur; Rundtempel in Thrakien 
mit offenem Dache: Macrob. 1, 18,11; hyper- 
boreisch: Diod. 2, 47, 4. 
9 ) Steph. Byz. Jslcpo'i. Die religiöse 
Bestimmung der Steinhäuser auf Euböa steht 
nicht fest. Nicht grösser wird auch der 
Tempel von Eleusis gewesen sein, den die 
Einwohner improvisierten (H. Cer. 298 f.). 
10 ) Ath. Mitt. 15, 248; Otfr. Müller, 
antiquitatt. Antioch. 1, 34 ff.; abgebildet auf 
Münze von Nikopolis-Seleukeia u. hei Schrei 
ber, Reliefbilder T. 4. 5. Ciborium in der 
griechischen Kirche, z. ß. TlaQpaaaog 8, 561 ff. 
m. Abb. 
Z. B. C. I. Lat. XIV 3543.
	        
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