Volltext: Archäologie der Kunst [6, Hauptbd.] (Hauptb. / 1895)

Kap. IX. Die Werke der Baukunst. (§ 281.) 
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Ziegeln erbaut werden; sie bot für die loculi sowohl die Wandflächen als 
auch gewann der spekulative Baumeister Platz, indem er das Dach in der 
Mitte von einem ebenfalls loculi enthaltenden Aufbau stützen liess. 1 ) An 
derswo nahmen die Totengräber das System von Nauplia wieder auf, in 
dem sie jedoch die Plätze der Leichen mit der Wand parallel laufen Hessen. 
Dieses System eignete sich nicht für offene Wände, sondern wurde unter 
irdisch angewendet, wobei von oben die luminaria Licht zuführten. Be 
kanntlich erhielten diese weitverzweigten unterirdischen Friedhöfe imVolks- 
munde den Namen Katakomben (catacumbae). Ihr Ursprung dürfte in 
vorchristliche Zeit zurückreichen und wohl bei den Sterbekassen der Berg 
leute und Steinhauer zu suchen sein; allerdings haben vorzugsweise die 
Juden 2 ) und die Christen der ersten Jahrhunderte das System angewendet. 
Wir kennen noch Katakomben in Rom (S. 127) 3 ) und Neapel, 4 ) auf Malta, 
vielleicht auch in Alexandrien. 5 ) Diese Massenanlagen grosser Gesell 
schaften geben schon Gelegenheit, durch Malereien und Stuckverzierungen 
die Stätte des Todes freundlicher zu gestalten. Die labyrinthischen „Erd 
ställe“ mit Wandnischen und Bänken, welche vom Neusiedlersee bis zum 
Bodensee in langer Kette sich hinziehen, 6 ) weichen im Grunde von den 
Katakomben nicht ab. 
Litteratur: Verzeichnis der Katakombenanlagen in Kraus’ Realencykl. 1, 110 ff. 
281. Die eigentlichen Grabdenkmäler sind wesentlich anders ge 
artet. Fürsten und vornehme Personen, denen sich später natürlich die 
Kapitalisten anschlossen, wollten auch nach dem Tode vor der Masse etwas 
voraus haben. Entweder sollte ihr Grab, wie ein Schloss, hoch empor 
ragen und weithin sichtbar sein oder sie wollten, falls es doch mehr als blosses 
Fortleben im Ruhme gäbe, ihre Lebensgewohnheiten nicht ganz missen. 
Der geschichtlichen Folge nach sprach sich der erstere Gedanke zuerst 
aus in dem Grabhügel. Die kunstloseste Form desselben, ein Steinhaufe 
(hebräisch galgal), soll, wie auf Corsica ein muchio, von den Vorübergehen 
den auf die Leiche eines gewaltsam gestorbenen Mannes geworfen worden 
sein. 7 ) Im Hügelland mag man für hervorragende Tote einen hochauf- 
ragenden isolierten Hügel gewählt haben, um sie darin zu bestatten! Solche 
natürlichen Hügel, welche umgestaltet werden mussten und zur Sicherung 
einen Steinkranz um ihre Basis erhielten, 8 ) sind ohne geschickte Aus 
grabung schwer zu konstatieren, da auch die natürliche Corrosion schein 
bar bearbeitete Hügel schafft. 9 ) Wo die Natur ihre Hilfe versagte, wur- 
x ) Über clie um Rom vorhandenen Co- 
lumbarien (worunter eines für die Diener 
schaft der Kaiserin Livia) s. den von Hül 
sen bearbeiteten 2. Teil des 6. Bandes des 
Corpus inscriptionum Latinarum; Abbildun 
gen bei Bartoli T. 89 ff. 
2 ) Z. B. in der Vigna Randanini vor 
Rom, in Neapel und Venosa (B. 1867, 148 ff.). 
3 ) S. auch G. B. Lugari, le catacombe 
ossia il sepolcro apostol. dell’ Appia, Rom 
1888, f. m. 9 T. 
4 ) A. de Jorio, guida per le catac. di 
S. Gennaro dei Poveri, Neapel 1889. 
5 ) JrjgLtoetg, 'Ale%av&q. S. 788 ff.; vgl. 
Ammian. 22, 15, 80; Heliod. 2, 27. 
6 ) Mitteil. d. Centralkomm. N. F. 14, 
221 ff. (Abb. S. 222). 
7 ) Daher die Erzählungen von Absalom 
(2 Sam. 18, 17), Laios (Paus. 10, 5, 2) und 
Teiresias (Paus. 9, 88, 1); vgl. Paus. 8^, 18, 8 ; 
drei Hügel bei Arächowa heissen °g roi’g 
cpovsvfxevovg) Fluchmale: B. Schmidt, Jahrbb. 
147, 869 ff.; vgl. Ra. III 21, 44. Normales 
Grab bei den Troglodyten: Agatharch. 68. 
8 ) Z. B. bei Viterbo M. I 41, 16, vgl. 
1881 p. 85. 
9 ) Bei Megara: 3 Ecp. ccq%. 1890 Sp. 26 ff.; 
dagegen unzweifelhaft in Bieda: Dennis 1 3 217.
	        
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