Volltext: Archäologie der Kunst [6, Hauptbd.] (Hauptb. / 1895)

Kap. VIII. Die Baukunst nach Material und Technik. (§ 270.) 
331 
das Kabirenheiligtum auf Samothrake. Der verdoppelte ampliiprostylos 
ist nicht üblich. Dagegen kommt der doppelte Peripteros vor, welcher 
Dipteros heisst. Weil damit auch die Schmalseiten verbreitert werden, 
bevorzugt man den weniger Raum einnehmenden Pseudodipteros, 
welcher an den Langseiten nur einfache Säulenstellungen hat, eine Form, 
welche die Alten zuerst am Artemistempel von Magnesia fanden. 1 ) Das 
athenische Olympieion mit dreifachen Schmalseiten und doppelten Lang 
seiten und den späteren kapitolinischen Tempel, der nur in der Front drei 
Reihen hatte, 2 ) dürfen wir einen Pseudotripteros nennen. 
Eine andere Reihe dürfte auch den südländischen Grundsatz des 
gegen die Strasse zu offenen, für Handwerker und Händler eingerichteten 
Parterres zurückgehen; da die Decke gestützt werden muss, so ergeben 
sich im monumentalen Bau Seitenwände (Anten), zwischen deren Stirn 
seiten eine Säulenreihe steht. Diese Form, welche Vitruv als die älteste 
Tempelart betrachtete, (templum in antis) beginnt monumental naturgemäss 
mit den Felsengräbern Ägyptens und war vor dem Perserkriege, wie die 
Schatzhäuser Olympias und der ältere Tempel von Rhamnus zeigen, ziem 
lich verbreitet. 3 ) Diese Art wird mit der umlaufenden Säulenhalle ver 
bunden, wobei beide Schmalseiten Anten erhalten (wie am alten Athene 
tempel, dem olympischen Zeustempel und dem Theseion). Bald jedoch 
lassen die Baumeister von den Anten nur Stümpfe übrig (z. B. am Par 
thenon) oder beschränken sie auf die Vorderseite (Asklepieion in Epi- 
dauros). 
An der runden Hütte konnte ein gedeckter Umgang entstehen, indem 
das zeltartige Dach verbreitert und dann auf Pfosten gestützt wurde; 4 ) 
dies ist die primitive Grundlage des Tholos (S. 323) oder runden Peripteros. 
Der nur aus Dach und Säulen bestehende Monopteros gehört nicht eigent 
lich in diesen Abschnitt, weil er im Grunde nur ein Schutzdach ist. Das 
praktische Bedürfnis schuf neben den erwähnten planmässigen Bauten 
häufig Säulenhallen, welche Anbauten heissen dürfen; ausser Theatern und 
ähnlichen Schauplätzen sei nur das Erechtheion genannt! 
Dem offenen Bau des Erdgeschosses entspricht ein ebenso gearteter 
Oberstock, dessen Decke wieder von einer Pfeiler- oder Säulenreihe ge 
tragen werden muss. Dadurch ergeben sich offene Loggien 5 ) mit Balu 
straden, welche an Kunstbauten (z. B. in Pergamon) Reliefschmuck trugen. 
Mit dem zunehmenden Mute der Baumeister mehren sich auch die offenen 
Gallerien, welche vermöge der Überwölbung übereinander gesetzt werden 
können. 6 ) Will man nun geschlossen bauen und doch den Schmuck der 
Säulen und Pfeiler nicht entbehren, so werden sie in kurzem Abstand vor 
die Wand gesetzt (Vorsetzsäulen und -pfeiler) 7 ) oder nur halb heraus- 
0 Vitr. 3, 2(3), 8, vgl. 7 praef. 12; alte 
Beispiele bietet auch Syrakus in zwei Tem 
peln. 
2 ) Dion. Hai. 4, 61, 4.. 
3 ) Auch das südliche Ägypten hat Anten 
tempel. 
4 ) In Afrika (z. B. bei den Mangbattu) 
werden noch solche Hütten gebaut. 
5 ) Syrische Beispiele bei Vogüe, Syrie 
centr. I 30. 36-38. II 98. 110. 149. 
6 ) Schöne Beispiele in der Villa des 
Maecenas zu Tibur (Kupferstiche) und (drei 
fach) um das palatinische Stadium. 
7 ) Z. B. an römischen Triumphbögen und 
der Attica des Colosseums.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.