Volltext: Archäologie der Kunst [6, Hauptbd.] (Hauptb. / 1895)

Kap. VI. Materialien und Technik des Kunstgewerbes. (§ 200.) 193 
der Nephritsteine suchte man Liasschiefer oder Serpentinarten und schliff 
sie zu; 1 ) an Stelle des Alabasters aber trat auf den Inseln des ägäischen 
Meeres der Marmor, aus dem man in der orientalischen Zeit Gefässe fer 
tigte. 2 ) Nahe der Schwelle der klassischen Zeit schützte ihn noch seine 
durch mühsame Arbeit erzielte Durchsichtigkeit. 3 ) Später hat man ihn da 
gegen nicht mehr für kleine Dinge verwendet. 4 ) Zu der gleichen Ge 
schmacksrichtung passt es, dass die ägyptischen und babylonischen Könige 
die vulkanischen harten, aber polierbaren Gesteine der Wüste holen lassen; 
doch werden wir von diesen besser bei der Architektur und Plastik 
sprechen. 
Allmählich beginnt der Geschmack empfindlicher zu werden und der 
Begriff der Edelsteine wird enger. Doch hängt derselbe nicht allein von 
Schönheit und Seltenheit ab. Wie die assyrische Litteratur zeigt, haben 
bereits die Babylonier Lehren über die geheimnisvollen Kräfte ge 
wisser Steine aufgestellt. 5 6 ) Die antiken Quellen 3 ) fehlen leider bis auf 
die orphischen Lithika, den Damigeron, Epiphanios’ Buch von den 12 Steinen 
und des Michael Psellos Traktat von der Kraft der Steine, woran sich 
dann die mittelalterlichen „Lapidarien“ (Steinbücher) des Orients und 
Occidents reihen; die gemeinsame Quelle dieser Fabeln bleibt zu er 
mitteln. Noch jetzt lebt der Glaube im Orient, in Griechenland und ver 
schiedenen Teilen des Abendlandes fort. Bei Bauern Sachsens und Irlands 
vererben sich solche „Glückssteine“, während man in Preussen „Schreck 
steine“ (Serpentinkeile) zu kaufen bekommt. 7 ) 
Litteratur: Lithika, rec. E. Abel, Berlin 1881; Damigeron: Pitra, spicilegium 
Solesmense Bd. III.; Epiphanios: Opera II p. 228 f.; Psellos: Migne patrol. Graeca CXXII 
col. 896 a ff.; über die arabischen Bearbeitungen de Mely et H. Courel, R. de philol. n. 
s. 17, 68 ff. 120 ff.; Aberglauben: Cartailhac, l’äge de pierre dans les Souvenirs et super- 
stitions populaires, Paris 1878; S. Reinach, Ra. III 11, 71 = chron. 408 A. 2; Rich. Andree, 
Mitt. d. anthrop. G. in Wien XII (N. F. II.) 1882; Andrian, Anthr. Corr. 1898, 61 ff. 
Die Alten waren mit sehr vielen edlen Steinarten bekannt; denn der 
schwunghafte Handel machte die Steine der entferntesten Länder zum 
Gemeingute der Reichen der ganzen Welt. Das Edelsteinland des Alter 
tums ist Indien sammt dem angrenzenden Ariana 8 ) und den baktrischen 
Steppen bis zum kaspischen Meer; 9 ) hierüber waren einst die ausschwei 
fendsten Vorstellungen verbreitet, Ktesias fabelt sogar von Onyxbergen. Im 
Abendlande aber vermittelten Massalia, Karthago und Alexandrien den Edel 
steinhandel. 10 ) An letzterem Orte schwemmen manchmal noch die Meeres 
wogen aus versunkenen Schiffen edle Steine ans Land. 11 ) Nach Analogie 
des Edelmetalls scheinen die Händler die Ziegelform der Steine bevorzugt 
0 Armringe im Eisass (Schiltigheim, 
Mundolsheim und Herrlisheim). 
0 Ath. Mitt. 1886 S. 15 ff.; vgl. auch 
nodoviTiTijQ fa&ccQyvQSog Stesich. 30. 
3 ) Alabastron und Büchse aus dem Grabe 
des Aristion, abgeb. AA. 1893 S. 78. 
4 ) Angebliche Ausnahme: Oivoyor] und 
xvneXhov in einem Bilde des Hippeus, Pole- 
mon bei Ath. 11, 474d. Über grössere Ge- 
fässe ist in der Architektur zu handeln. 
5 ) Ztsch. f. Assyriologie 1, 208 f. 
6 ) Litteratur bei Susemihl, Geschichte 
JJandbuch der klass. Altertumswissenschaft. VI. 
der griechischen Litteratur in der Alexan 
drinerzeit 1, 856 ff. 
7 ) Verhandl. der Berl. Ges. f. Anthrop. 
1877 S. 472 m. Abb. 
8 ) Dionys. Perieg. 1103 ff. 
9 ) Theophrast. lap. 35; Dion. Per. 724; 
Plin. 37, 37; Ritter, Geographie 2, 551 ff. 
10 ) Vgl. Theophr. a. O. (z. B. aus 
Massalia und Karthago 18). 
1 ) O. Schneider, naturwissensch. Bei 
träge zur Geographie u. Kulturgesch., Dres 
den 1883. 
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