Volltext: Archäologie der Kunst [6, Hauptbd.] (Hauptb. / 1895)

Kap. VI. Materialien und Technik des Kunstgewerbes. (§ 199.) 
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sondern das Fehlen des Metalles ist. Als die metalllose Zeit schon 
längst zu Ende war, dauerte der Gebrauch der Steine bei allen Völkern 
ohne Ausnahme fort, wenn auch sein Verhältnis zum Metall in den ver 
schiedenen Ländern und zu verschiedenen Zeiten nicht gleich blieb. Es 
war auch ganz begreiflich, dass der Stein, sorgsamst bearbeitet und oft 
geschliffen, so dass er selbst im Glanze wetteifern konnte, schlecht her 
gestelltem teuerem Metalle vorgezogen wurde; schon früh lässt sich wahr 
nehmen, dass ungewöhnlich harte Steinarten oder solche von schöner 
Farbe (über welche bei den Gemmen gehandelt werden soll) auf weite 
Entfernung verhandelt worden sind. In historischer Zeit sodann müssen 
wir zwischen metallarmen und Kulturvölkern unterscheiden. Jene befinden 
sich an den Rändern der bewohnten Erde, in Nordeuropa und in den öden 
Küstenstrichen des südlichen Meeres. 1 ) Nebenbei, weil der Metallvorrat 
nicht ausreicht, kommt der Stein auch bei den freien Germanen und Britten 
bis tief in das Mittelalter hinein, zur Waffe geschärft, vor. 2 ) Bei den soge 
nannten Kulturvölkern sind die Grenzen schon viel enger gezogen; Hirten 
und Waldläufer mögen auch dort Steinmesser benützen. 3 ) Doch weil das 
Naturgemässe, Ungekünstelte auch den Göttern lieb zu sein scheint, be 
nützen die Ägypter, bei denen gemuschelte Feuersteingeräte überhaupt 
noch in der zwanzigsten Dynastie nachweisbar sind, jene Messer zum Ein 
balsamieren der Mumien, daher sie neben manchen gefunden werden, 4 ) und 
die Israeliten zur Beschneidung. Dem entsprechend wendete sich auch 
der Aberglaube den Steingeräten zu, doch sei hier vorläufig nur eines ge 
fassten Feuersteines Erwähnung getlian. 5 * ) Indem wir ebenso zunächst 
von den wertvolleren Steinen absehen, ist festzustellen, dass im gewöhn 
lichen Gebrauche Steingeräte sich nur in den Fällen erhielten, wo es auf 
die Dauerhaftigkeit ankam, z. B. Gewichte, 0 ) Mühlsteine, 7 ) Handmühlen und 
Reibsteine, 8 ) Gefässe zum Teigkneten (in Pompeji aus Lava), Wetz- und 
Quetschsteine, 9 ) Mörser, 10 ) Hämmer, 11 ) Ankersteine 12 ) und Ringe, um Schiffe 
an das Ufer zu binden. 13 ) Gefässe aus gewöhnlichem Stein sind ganz lokal, 
z. B. in Gallien u ) und bei den Indern, wo sie als Bettelschalen Buddhas 
9 Z. B. die Oreitai am indischen Meere: 
Aman. Ind. 24, 9. Der Metallhandel ging 
dort nach dem „Periplus“ lebhaft. 
2 ) Helbig, Italiker in d. Poebene S. 42 f. 
(Angelsachsen in der Schlacht von Hastings; 
der schottische Landsturm im 18. Jahrhun 
dert). Steingeräte noch in Gräbern der Me- 
rovingerzeit (Ra. n. s. 81, 368) u. der Hunnen 
(Grabfeld von Cziko 1893) — zum Feuer 
schlagen? 
3 ) Theocrit. 25, 275; Joseph, ant. 14,4,1. 
4 ) Herod. 2, 86 (vgl. Wiedemann zur 
Stelle); Diod. 1, 91. 
5 ) Abgeb. Molon, preistorici T. III Nr. 
20 a-e. 
G ) In Athen, Pompeji (Ritschl, über an 
tike Gewichtsteine, Bonn 1866) u. a. 
7 ) In Orchomenos: Schliemann S. 24 
(mit gravierten Kreuzlinien); in Pompeji aus 
Lava: abgeb. Guattani, mon. ined. 1786 
maggio T. 1 S. 39 f. 
8 ) Klemm, german. Altertumsk. T. 1, 1. 
2; Foulon-Menard, les moulins primitifs, B. 
de la soc. arch. de Nantes 1869. 
9 ) Die „Quetschsteine“, welche in ver 
schiedenen Gräbern Deutschlands und sonst 
Vorkommen (z. B. auf der Limburg: Mehlis, 
Studien zur ält. Gesch. d. Rheinlande 2. Abt.) 
dienen nach Reichard (Verh. derBerl. Ges. 
f. Anthr. 1889 S. 214 ff.) bei den Negern zum 
Schärfen der Mahlsteine. 
10 ) So die alten Erklärer des Wortes 
oXfxos; noch jetzt im departement de 
l’Indre. 
11 ) Samt Bohrergriff in Naukratis ge 
funden (Petrie I S. 43). 
12 ) Z. B. Lykophron 618. 
13 ) In und bei Rom häufig (dactylia): 
A. 40, 165. 
14 ) Ra. 2, 304 ff.
	        
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