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Die Eisenbahnen bei Mobilmachung und Aufmarsch.
Auf Anordnung des Chefs des Feldeisenbahnwesens konnte für diesen
Bezirk bereits vom 9. August ab die Kohlen- und Rohstoffzufuhr unter
bestimmten Bedingungen wieder aufgenommen werden, wobei Voraus¬
setzung war, daß Lokomotiven und Wagen in ausreichender Menge zur
Verfügung standen. Die Zahl der zugelassenen Züge sollte auf den vom
Aufmarsch nur schwach belegten Strecken täglich ein bis zwei in jeder Rich¬
tung betragen. Unter keinen Umständen durfte jedoch die Aufmarsch¬
bewegung in ihrem planmäßigen Laufe gestört werden. Auf den nicht durch
Aufmarschtransporte beanspruchten Linien konnten nach verantwortlichem
Ermessen des Vahnbevollmächtigten Züge verkehren. Führungen über
Rhein-Brücken waren verboten, solche in die Nachbargebiete nur ausnahms¬
weise mit Genehmigung des Feldeisenbahnchefs gestattet.
Im allgemeinen machte sich bei großen Betrieben, die meist schon mit
Rücksicht auf die Gefahr eines Streikes über umfangreichere Friedens¬
vorräte verfügten, der Bedarf an Rohstoffen nicht so sehr fühlbar wie bei
mittleren und kleineren Unternehmungen, denen im Hinblick auf die Kosten¬
frage größere Bestände meist fehlten. Dies traf im besonderen für die
Kohlenversorgung zu, für die trotz der im Frieden getroffenen Vorarbeiter?)
zahlreiche dringende Anforderungen erst nach Ausspruch der Mobilmachung
gestellt wurden. Erschwerend wirkte, daß infolge Einberufung zahlreicher
Bergarbeiter zu den Waffen die Förderung der Zechen nicht in dem nötigen
Umfange aufrechtzuerhalten war, und daß das bisher zum großen Teil mit
englischer Kohle versorgte Mitteldeutschland sowie Ost- und Westpreußen
nunmehr aus dem oberschlestschen Kohlengebiete beliefert werden mußten.
Die Leistungsfähigkeit der Gruben Oberschlesiens war aber durch die Ein¬
ziehung der Wehrfähigen, des Landsturms und zahlreicher Armierungs¬
arbeiter sowie durch die bald erfolgte Rückführung der nahe am wehrpflich¬
tigen Alter stehenden männlichen Bevölkerung sehr beschränkt. Cs ließ sich
daher nicht vermeiden, daß im Osten bereits vom 10. August ab in einzelnen
Orten vorübergehend Mangel an Brennstoffen eintrat.
Von der Benutzung desWasserweges für die Beförderung
von Rohstoffen und Kohle wurde zur Entlastung der Eisenbahnen nicht in
dem wünschenswerten Maße Gebrauch gemacht. Die Ursache hierfür lag
in den unzureichenden Vorbereitungen sowie vor allem in einer gewissen
Schwerfälligkeit der belieferten Stellen, die sich zu einer Umstellung der in
langen. Friedensjahren eingespielten Verkehrsbeziehungen nur ungern ent¬
schließen konnten.
!) S. 24.