Volltext: Das deutsche Feldeisenbahnwesen ; [1]. Die Eisenbahnen zu Kriegsbeginn (15. 1928)

Räumungs- und Flüchtlingsbewegung. 
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abgestellten, mit Nachschub aller Art beladenen Wagen noch vermehrt 
wurden. 
Als schließlich nach der Schlacht bei Gumbinnen mit der Ein¬ 
leitung des Rückzuges der 8. Armee eine panikartige 
Flucht der Bevölkerung der Grenzgebiete einsetzte, und der Andrang der 
Flüchtlinge zu den Bahnen sich in außerordentlichem Maße weiter ver¬ 
stärkte, wurde die Verkehrs- und Vetriebslage äußerst kritisch. Unabsehbare 
Menschenmengen stürmten die in den Grenzstrichen gelegenen Bahnhöfe 
und die dort stehenden Züge. Bei der allgemeinen Bestürzung und Kopf¬ 
losigkeit spielten sich die bewegtesten Szenen auf den vom Flüchtlingsstrom 
berührten Bahnhöfen ab. Sehr bald war das Cisenbahnpersonal gegen den 
mit elementarer Gewalt einsetzenden Ansturm völlig machtlos, zumal alle 
Beruhigungsversuche ohne Wirkung blieben. Um zu helfen und die Not 
der stürmisch auf Abtransport drängenden Massen zu lindern, wurden von 
den Stationen schließlich alle erreichbaren Leerwagen für die Abbeförderung 
zur Verfügung gestellt und die beladenen Züge ohne Rücksicht auf die 
Gesamtbelastung des Netzes so schnell als möglich abgelassen. Da die 
Mehrzahl dieser Transporte auf der gleichzeitig durch Nachschub belasteten 
Hauptstrecke über Insterburg—Königsberg—Marienburg zusammenlief, ent¬ 
stand hier sehr bald eine bedenkliche Uberfüllung der Bahnhöfe, die zu all¬ 
gemeinen Stockungen und erheblichen Verspätungen im Zugverkehr führte. 
Erschwerend wirkte ferner, daß mit der unvermittelten Einleitung rück¬ 
wärtiger Bewegungen der 8. Armee die zahlreichen vor und während der 
Schlacht im Anrollen befindlichen Transporte nach vorn aufliefen, sich 
plötzlich rückwärts stauten und erst ganz allmählich wieder abflössen. 
So waren durch die Räumungs- und Flüchtlingsbewegung die Eisen¬ 
bahnen Ostpreußens in eine Lage gekommen, die die schnelle Durch¬ 
führung größerer Truppenverschiebungen aufs schwerste behinderte. Wenn 
hieraus keine größeren Schäden entstanden, war dies vor allem der 
Pflichttreue sowie dem ruhigen, besonnenen Verhalten des Vahnpersonals 
aller Dienstgrade zu danken, das sich in diesen bewegten Tagen aufs beste 
bewährte. 
Neben den Eisenbahnen spielten bei der Räumung der bedrohten 
Gebiete die ostpreußischen Wasserstraßen eine gewiffe Rolle. Sie 
wurden namentlich zur Bergung von Vieh aus der Tilsiter Niederung und 
nach Einrichtung eines regelmäßigen Schiffsverkehrs zwischen Königsberg 
und Danzig zur Abbeförderung flüchtender Landeseinwohner herangezogen. 
So gelangten allein in der Zeit vom 26. bis 31. August 12 000 Flüchtlinge 
in Königsberg auf Schiffen zur Verladung und zahlreiche Aktenbestände 
sowie sonstiges wertvolles Gut der Königsberger Behörden auf dem
	        
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