Das russische Heer und d-ie Revolution.
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Frieden fortzusetzen, hatte sich ein Rat der Arbeiter- und Sol-
daten-Abgeordneten gebildet, der bald die Macht an sich riß und
verlangte, daß alle Verfügungen an das Heer und an militärische Behörden
von seiner Zustimmung abhängig sein sollten. So hatte schon am Tage vor
der Abdankung des Zaren der Petersburger Arbeiter- und Soldatenrat den
„Befehl Nr. 1"') an die Soldaten des Standortes zur sofortigen Ausführung
und an die Arbeiter zur Kenntnisnahme ausgegeben. Cr enthielt die Ve-
stimmung, bei allen Truppenteilen aus gewählten Vertretern Komitees zu
bilden und auch Vertreter in den Arbeiterrat zu entsenden. Die Truppen-
teile sollten sich in politischer Beziehung dem Rat der Arbeiter und Soldaten
und ihren Komitees unterordnen, alle Mißverständnisse zwischen Offizieren
und Soldaten sofort zur Kenntnis der Komitees bringen und nur solche
Befehle der „Kriegskommission der Reichsduma" ausführen, die den Ve-
fehlen und Erlassen des Arbeiter- und Soldatenrats nicht zuwiderliefen.
Dieser Befehl fand im ganzen Lande und auch an der Front, ohne daß Pro-
visorische Regierung oder Heeresleitung es zu hindern vermochten, weiteste
Verbreitung. Mit ihm zogen die politischen Leidenschaften in die Truppen
ein und untergruben die Stellung der Offiziere.
Am 24.März wurde Großfürst Nikolaus Nikolajewitsch, ohne die März.
Stellung als Oberster Befehlshaber wirklich übernommen zu haben, auf
Drängen des Arbeiter- und Soldatenrates wieder abgesetzt. General
A l e x e j e w wurde sein Nachfolger. Cr hatte sich dem Kriegsminister gegen-
über schon am 22.März sehr deutlich über die dauernd abnehmende Kampf-
fähigkeit des Heeres geäußert und dabei darauf hingewiesen, daß die Deut-
schen vor der Nordfront Angriffsvorbereitungen träfen. Petersburg sei
bedroht; der Verlust der Hauptstadt aber, in der die hauptsächlichste Muni-
tionserzeugung zusammengedrängt war, bedeute an sich schon „unsere
Niederlage, das Ende des Krieges, blutigen Bürgerkrieg und das Joch
Deutschlands". Er hielt es daher für unabweislich, das Heer wieder kämpf-
fähig zu machen, die Disziplin in der Truppe und bei den Volksmassen wieder
aufzurichten, das Vertrauen der Soldaten zum Offizier wieder zu festigen
und nicht weiter Nachsicht zu zeigen gegenüber dem zersetzenden Einfluß des
Arbeiter- und Soldatenrates.
Die Sorge um Petersburg') gab Veranlassung, die Nordfront
mit Tmppen von der West- und Südwestfront zu verstärken. Zwei Divi-
sionen waren bereits von Molodeezno in den Raum von Riga in Marsch
gesetzt, zwei Korps von Tarnopol und Proskurow nach Dünaburg folgten
am 28. März. Auch innerhalb der Nordfront erfolgten Umgruppierungen 28. M»r,.
') 3. N. Daniloff, „Dem Zusammenbruch entgegen", S. 171. — 2) Vgl. S. 486.