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Die Angriffspläne der Entente bis Mitte März.
Winter Am 20.Januar legte General Fo ch der Heeresleitung eine Denkschrift
1916/17. ^ jjbn ^e Möglichkeit eines deutschen Angriffs auf Italien
durch die Schweiz. Da die Deutschen in der Lage seien, binnen
48 Stunden vier Divisionen über Gotthard und Simplon in den Raum
nördlich von Mailand heranzuführen, sei — ganz abgesehen von einem fran-
zöfischen Vorgehen durch die Schweiz gegen die 190 bis 160 Kilometer langen
deutschen Verbindungen — unmittelbare Unterstützung Italiens unerläßlich.
Gegenüber von Gotthard und Simplon könnte nach acht Tagen die erste
französische Division eintreffen, jeden weiteren Tag eine neue. Weit gefähr-
licher als der Angriff durch die Schweiz erscheine aber der aus dem Trentino.
Hätten schon die Österreicher und Ungarn vor etwa einem Jahre die Italiener
fast niedergerungen, so müßte ein Angriff «ä l'Allemande» bei den gün¬
stigen Ausgangsstellungen mit Sicherheit zu ihrem völligen Niederbruch
führen. Die näheren Bedingungen einer Hilfeleistung in diesem Abschnitt
müßten von den verbündeten Generalstäben genau untersucht werden.
Bei einer neuen Besprechung, zu der General Nivelleam2. Februar
im italienischen Hauptquartier Udine eintraf, gab er der
Erwartung Ausdruck, daß die in Chantilly verabredete italienische Isonzo-
Offensive noch vor dem 1. Mai beginne. Im übrigen wurde festgestellt, daß
Italien aus eigener Kraft in der Lage sei, die 420 österreichisch-ungarischen
Bataillone im Trentino im Schach zu halten; wenn freilich Deutschland hier
mit 20 Divisionen eingriffe, so würde sranzösisch-englische Unterstützung un-
vermeidlich. Da jedoch die Operationen dort nicht vor Mai beginnen könnten,
sei auch die Unterstützung nicht vor diesem Termin nötig. Bis dahin aber
würden die gemeinschaftlichen Offensiven dafür sorgen, daß Deutschland keine
Kräfte zu einer solchen Unternehmung mehr übrig habe. Demgegenüber
hatte General Cadorna nach den bisherigen Kriegserfahrungen kein Ver¬
trauen dazu, daß ein Angriff der Mittelmächte gegen Italien durch eine
Offensive der Alliierten an anderen Fronten aufgehalten werden könne. Am
21. Febmar kam er auf die Erörterungen nochmals zurück. Cr befürchtete
jetzt, daß der im Gange befindliche Ausbau des Heeres ihn am rechtzeitigen
Beginn der Isonzo-Offensive hindern könne und daß die ständige Verstär¬
kung der Österreicher und Ungarn die Aussichten seines Angriffs beeinträch-
tigen werde. Cr erklärte schließlich, daß nur bei unmittelbarer Unterstützung
durch Franzosen und Engländer ein feindlicher Stoß aufgefangen werden
könnet.
General F o ch, dem diese Äußerungen Anfang März zugeleitet wurden,
hielt die Lage jetzt für einfacher als zur Zeit seines Gutachtens vom
20. Januar, da die Wahrscheinlichkeit eines deutschen Angriffs durch die
') Franz. amtl. Werk, Bd. V, 1,S. 201.