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O. H. L.: Entwicklung der Gesamtlage.
des Einflusses der deutschen Obersten Heeresleitung und vollends der
Schaffung einer deutschen Obersten Kriegsleitung entgegensetzte. Erst
bitterste Not hat ihn bei Eintritt Rumäniens in den Krieg zum Nachgeben
bestimmt.
Es ist andererseits ein Zeichen der operativen Einsicht des Feld-
Marschalls, wenn er sich vor dem Kriege der Notwendigkeit nicht ver-
schlössen hat, daß die Gesamtlage den ersten Einsatz des deutschen Heeres
gegen Frankreich erfordere. Die damit ihm selber zufallende Aufgabe, die
Masse von Rußlands Streitmacht durch Angriff zu fesseln, hat er freudig
übernommen; denn Angriff entsprach seiner ganzen Wesensart wie der von
ihm betriebenen Ausbildung des Heeres. Er wollte dabei sogar mehr als
nur hinhaltend fechten; er wollte einen großen eigenen Sieg erringen, bevor
noch die Deutschen aus dem Westen zu Hilfe kamen. Immerhin hoffte er
auf mittelbare Unterstützung durch die in Ostpreußen ausmarschierenden
deutschen Kräfte. Es war ein kühner Plan, der, wenn er glückte, die
Gesamtkriegführung in wirksamster Weise unterstützte. Daß General
von Conrad dann Ende Juli 1914 in der Hoffnung auf Rußlands Stille-
halten den Aufmarsch zunächst gegen Serbien einleitete, erschwerte den an
sich schon ungleichen Kampf gegen die russische Übermacht, und diesen Um-
stand hat er bei der operativen Durchführung doch allzu wenig berücksichtigt.
So endete der erste und einzige große Feldzug, den der Feldmarschall
völlig selbständig geleitet hat, mit überaus verlustreichem Rückzüge; denn
er ließ diesen erst antreten, als die Lage unabweisbar dazu zwang.
Die deutschen Ostoperationen zu unterstützen, ist der österreichisch¬
ungarische Generalstabschef nach Kräften bemüht gewesen. Wenn auch
seine Gedankengänge mit denen des Oberbefehlshabers Ost nicht immer
übereinstimmten, so hätten doch ohne seine tatkräftige Mitwirkung die
geringen deutschen Oststreitkräfte niemals hingereicht, Deutschlands Ost-
grenzen bis zum Frühjahr 1915 zu schützen.
Daß der österreichisch-ungarische Generalstabschef seit dem Mi߬
lingen der großen deutschen Westoffensive immer wieder mit Nachdruck für
den Entscheidungskampf gegen Rußland, dann gegen Italien eintrat, hat
neben anderen Fragen mehrfach zu starken Meinungsverschiedenheiten mit
General von Falkenhayn geführt, die durch die Verschiedenartigkeit der
Charaktere gelegentlich noch verschärft worden sind. Solange aber die Ziele
übereinstimmten, wie vor allem beim Ostfeldzug des Sommers 1915, ver-
lief auch die Zusammenarbeit so gut wie reibungslos.
Trotz aller Enttäuschungen und Rückschläge blieb der Generalstabschef
des österreichisch-ungarischen Heeres immer wieder voller Hoffnung, angriffs-
freudig und erfüllt von großen Plänen. Dabei geschah es aber auch oft, daß