Volltext: Die Kriegsführung im Herbst 1916 und im Winter 1916/17 : vom Wechsel in der Obersten Heeresleitung bis zum Entschluß zum Rückzug in die Siegfried-Stellung (11. 1938)

Gesamtlage: Besorgnisse wegen Bagdad und Palästina. 
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Bagdad „für möglich, aber noch nicht für sicher". Die Bedrohung Palä¬ 
stinas sah er nicht für so ernst an, solange nicht erhebliche Verstärkung der 
britischen Truppen in Ägypten festgestellt würde. Nur bei gleichzeitiger eng- 
lischer Landung an der Küste Palästinas gab er zu, daß die Verhältnisse auf 
diesem Kriegsschauplatz sich schwierig gestalten würden. Eine schwerwiegende 
Verschlechterung der allgemeinen Kriegslage sah er hierin aber nicht. Der 
Schlußsatz seines Telegramms lautete vielmehr: „Sollte es schließlich nicht 
gelingen, den Feind an der Besetzung Palästinas zu hindern, so würde 
dieser Umstand weder für die allgemeine Lage entscheidend, noch für die 
Türkei gefährlich sein, wohl aber starke Kräfte des Feindes an einer Stelle 
fesseln, an der die Entscheidung des Weltkrieges nicht fällt." 
Ende Dezember kam General von Liman nach Pleß. Fragen der 
Militär-Mission sollten bei diesem Besuch im Vordergrund stehen. Es 
war aber natürlich, daß der General sich auch über die Gesamtlage der 
Türkei aussprach. Dazu kamen Nachrichten vom mesopotamischen und 
ägyptischen Kriegsschauplatz, die englische Angriffe auf Kut und Vorgehen 
auf El Arisch meldeten. So sah sich die O b e r st e K r i e g s l e i t u n g 
veranlaßt, erneut die Bedeutung dieser beiden Fronten zu betonen. Am 
22.Dezember richtete Generalfeldmarschall von Hindenburg an Enver 
Pascha die Bitte, „alle geeigneten Maßnahmen zu treffen, um einem 
Vordringen der Engländer nach Palästina über El Arisch hinaus entgegen- 
treten zu können". Noch größere Sorge erweckte die offensichtliche neue Be¬ 
drohung der politisch und militärisch gleich bedeutungsvollen alten Kalifen- 
stadt Bagdad. Der Generalfeldmarschall befürwortete daher in einem Tele- 
gramm vom 27.Dezember an die türkische Heeresleitung einen Angriff im 
Zrak unter Verstärkung der 6. Armee durch Abgaben der 2. Armee"). Deren 
erneute Schwächung bezeichnete Enver Pascha als nicht möglich, hielt aber 
die 6. Armee nach Eintreffen einer zu ihr schon in Marsch gesetzten 
Division für stark genug, um zum Angriff überzugehen. Die Lage in 
Palästina hielt er „noch nicht für besonders bedrohlich", solange der Gegner 
in der Hauptsache nur berittene Truppen östlich des Suez-Kanals verwende. 
Als wenige Wochen später kein Zweifel mehr war, daß die Engländer Januar i»n. 
vom Suez-Kanal her wie auch im Irak den Angriff mit stärkeren Kräften 
aufnahmen^), sah auch Enver Pascha die Lage weniger zuversichtlich an. 
Bagdad und Palästina schienen bedroht. Erfolgreiche Abwehr verlangte 
wesentliche Verstärkung der dortigen Truppen. Weder Zahl noch Zustand 
der in Asien noch vorhandenen Kräfte reichten aber dazu aus. Enver Pascha 
*) Bereits bei der Besprechung in Pleß am 11. Sept. war dieser Gedanke von 
Gen. Ludendorff ausgesprochen worden, ohne daß ihm näher getreten wurde. 
-) S. 419 und 421. 
Weltkrieg. XI. Band. 
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