Volltext: Die Operationen des Jahres 1916 : bis zum Wechsel in der Obersten Heeresleitung (10. 1936)

Das Frühjahr 1915. 
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Er gewann damit nach seinen eigenen Worten „eine ungewohnte Entschluß- 
freiheit"'). Rußland freilich kam als Feld für weitreichende, entscheidung- 
suchende Operationen auch jetzt und künftig für ihn schwerlich in Frage. 
Aber an der von jeher als Hauptkriegsschauplatz angesehenen Westfront 
schien ihm eine auf die Kriegsentscheidung gerichtete Durchbruchs- 
operation denkbar. Aus allen hierüber angestellten Erwägungen, 
Berechnungen und Erkundungen schälte sich Mitte März der schon früher 
ins Auge gefaßte „Stoß auf Amiens" als aussichtsvollster Plan heraus. 
Mit Eifer versenkte er sich in die Vorbereitungen und hielt trotz der durch 
den drohenden Kriegseintritt Italiens vermehrten Unsicherheit der politischen 
Lage daran fest, noch im Frühjahr nördlich der Somme zwischen Arras 
und Albert auf einer Frontbreite von etwa 25Kilometern das feindliche 
Stellungssystem zu durchstoßen und dann die nördliche Anschlußfront zum 
Einsturz zu bringen. Nicht leichten Herzens, aber doch mit beachtenswerter 
Wendigkeit im Entschluß und schneller Anpassungsfähigkeit an die ver¬ 
änderte Lage nahm er Anfang April von diesem Durchbruchsplan auf 
unbestimmte Zeit Abschied, als die immer stärkere Bedrohung des öfter- 
reichisch-ungarischen Verbündeten an der Karpaten-Front den Einsatz des 
größten Teiles der Heeresreserven auf galizischem Boden erzwang. Der 
Verzicht sollte aber nicht endgültig sein; der Generalstabschef hoffte viel- 
mehr, nach schneller Durchführung des operativ nach Krafteinsatz, Raum 
und Zeit begrenzten Schlages im Osten doch noch in absehbarer Zeit zu 
entscheidendem Handeln im Westen zu kommen. 
Indessen, die unerwartete Ausdehnung und wachsende Bedeutung des 
galizischen Feldzuges verschob während der nächsten Monate den Schwer- 
Punkt der Kriegführung so stark nach dem Osten, daß reine Abwehr wieder 
die ausschließliche, übrigens glänzend gelöste Aufgabe der bis hart an die 
Grenze des Möglichen entblößten Westfront wurde. Anderseits ließen sich 
die Operationen in Galizien nur weiterführen, weil es General von Falken- 
Hayn gelang, den öfterreichisch-ungarischen Generalstabschef von der Rot- 
wendigkeit zu überzeugen, dem neuen Feinde Italien mit einem Mindest- 
maß an Kräften in starrer Verteidigung hart an der Landesgrenze ent- 
gegenzutreten. Wie sehr freilich auch in dieser Zeitspanne bei General 
ron Falkenhayn der Wunsch nach offensiver Betätigung auf dem westlichen 
Kriegsschauplatz rege blieb, beweist seine Absicht, unmittelbar nach der Ein- 
nähme von Lemberg fünf Korps aus der siegreichen Verfolgung nach dem 
Westen zurückzurufen. Drei von ihnen gedachte er zur „Säuberung des 
Ober-Elsaß" zu verwenden, die anderen zu Ablösungszwecken an einem kurz 
zuvor hart bedrängten Frontteil im Artois. Es hält schwer, für dieses 
') von Falkenhayn, a. a. O., S. 56.
	        
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