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Die Oberste Heeresleitung bis zum Beginn der Somme-Schlacht.
der Obersten Heeresleitung noch sieben Divisionen') in der Heeresreserve zur
Verfügung, von denen indessen nur vier als ausgeruht bezeichnet werden
konnten.
Den Feind gegenüber der 2.Armee berechnete die Nachrichten¬
abteilung der Obersten Heeresleitung Ende Juni auf 20 französische Divi¬
sionen im Abschnitt nördlich der Oise, davon 16 nördlich des Avre-Vaches,
und auf 13 britische im Abschnitt Monchy au Vois—Maricourt, dahinter
in Reserve sechs bis sieben. Von den hinter der übrigen britischen Front ver¬
teilten zehn bis elf Divisionen konnten nach Ansicht der Nachrichtenabteilung
noch fünf bis sechs auf das künftige Schlachtfeld herangezogen werden.
Danach belief sich die Gesamtstärke, über die die Feinde im Abschnitt Monchy
au Vois—Avre-Vach zum Angriff verfügen konnten, auf rund 40 Divisionen,
die an Infanterie und Artillerie fast durchweg stärker als die deutschen waren.
Mit etwa vierfacher Gesamtüberlegenheit mußte gerechnet werden.
Als am 20. Juni der Oberbefehlshaber Ost um Anterrichtung über die
Gesamtlage und die Auffassung der Obersten Heeresleitung gebeten hatte*),
hatte Generalmajor Tappen am folgenden Tage, dem 21. Juni, „eine
Beurteilung der Lage" schriftlich niedergelegt. Dabei hat er sich über den
Gedanken des Gegenstoßes nach abgeschlagener englisch-französischer Offen-
sive klar und eindeutig wie folgt ausgesprochen: „Vor linkem Flügel 6. und
rechtem Flügel 2. Armee steht feindlicher Angriff nahe bevor. Grund¬
gedanke, daß Entscheidung im Westen liegt, muß unbedingt aufrechterhalten
werden. Eine Entscheidung im Westen nicht zu erreichen, wenn gegen
Engländer reine Abwehr bei einem Angriff erfolgt. Ist englischer Angriff
und Ansturm gebrochen, so muß nachgestoßen werden. Dazu Kräfte nötig,
die auf dem Westkriegsschauplatz trotz Fortführung des Angriffs gegen
Verdun zur Verfügung stehen."
In mehr verhüllter Form hatte General von Falkenhayn seine
im Grunde unveränderte Auffassung über die Aufgabe der Westfront in der
Antwort an den Oberbefehlshaber Ost zum Ausdruck gebracht: „Die Vor-
gänge südlich des Pripjet haben die Überzeugung, daß die Kriegsentscheidung
an der Westfront fallen muß, nicht erschüttert. Im Gegenteil ist anzunehmen,
daß durch jene Vorgänge die Ereignisse hier insofern beschleunigt und zu-
gespitzt werden, als die lange vorbereitete englisch-sranzösische Offensive schon
bald einsetzen wird. Sie abzuwehren und dann je nach den Umständen zu
handeln, werden, wie ich bestimmt hoffe, die im Westen zur Zeit vorhandenen
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