318
Die Oberste Heeresleitung bis zum Beginn der Somme-Schlacht.
beharrlich vertretene Ansicht begründen, daß der Hauptangriff der Engländer
sich nicht nur gegen den rechten Flügel der 2. Armee richten werde, sondern
auch gegen den linken der 6. Armee.
Gegenüber der im Somme-Gebiet deutlich heraufziehenden schweren
Gefahr beschränkte sich die Oberste Heeresleitung auf die Hergabe geringer
Verstärkungen an die 2. Armee, obgleich diese bei größerer Breite des Ab-
A. Juni, schnitts über weniger Kräfte als die 6. Armee verfügte. Vis zum 20.Juni
wurde sie gegenüber dem Bestand von Mitte Mai nur um eine einzige Infan¬
terie-Division und etwas Feld- und schwere Artillerie vermehrt. Drei Divi-
sionen stellte General von Falkenhayn hinter der Armee als Heeresreserven
zu seiner eigenen Verfügung bereit. Eine Begründung für diese auffallende
Zurückhaltung ist in den Kriegsakten und privaten Aufzeichnungen nicht zu
finden. General von Falkenhayn vertritt in seinem Werk^) die Anschauung,
den Anträgen der 2. Armee auf Verstärkungen „in weitest möglichem Am-
fange" entsprochen zu haben. Diese Erklärung vermag nicht zu befriedigen,
da es durchaus im Vereich der Möglichkeit lag, stärkere Kräfte zuzuweisen.
Man ist auf Vermutungen angewiesen. Sollte der feindliche Angriff sobald
als möglich herausgefordert werden? Wurde die Masse der Gegenstoß-
reserven absichtlich noch nicht in die Nähe des künftigen Schlachtfeldes ge°
führt, um dort vorzeitiger Verausgabung vorzubeugen? Scheute man die
Zuführung stärkerer Kräfte und Kampfmittel in den Raum der 2. Armee
wegen der unvermindert scharf gespannten Kampflage bei Verdun?
Im Maas-Gebiet wurde Mitte Juni der Einsatz der 103.Infan-
terie-Division notwendig. Ein neuer großer Angriff auf dem Ostufer war
in Vorbereitung, diesmal unter Verwendung der neuartigen und voraus-
sichtlich sehr wirksamen Grünkreuzmunition"). Er fand am 23. Juni statt,
während General von Falkenhayn zu einer Besprechung mit Generaloberst
von Conrad in Berlin weilte^), und brachte beträchtliche Teilerfolge im
Räume um Fleury, nicht aber den Besitz der Hauptangriffspunkte, des
Zwischenwerks Froide Terre und des Forts Souville. Der inzwischen
immer näher rückende Entscheidungskampf an der Somme drängte nun aber
doch die Frage auf, ob nicht schon der jetzt erzielte Raumgewinn genüge,
um vor Verdun ruhigere Kampfverhältnisse anzubahnen und damit Kräfte
24. Z»nt. frei zu machen. So erging am 24. Juni, als nördlich der Somme das feind-
liche Feuer sich bereits wesentlich steigerte, an das Oberkommando der
Heeresgruppe Deutscher Kronprinz eine vorsichtige Anfrage^, wie nach den
l)von Falkenhayn, a. a. O., S. 221.
-) S. 186 ff.
-) S. 492.
4) Näheres S. 195.