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Die Westfront bis zum Sommer 1916. —
Verdun.
weiterhin blieben sie unverhältnismäßig gering und standen in keinem Ver-
hältnis zu den aufgewandten Kräften. Der gesamte Raumgewinn von der
Eroberung der Linie Douaumont—Hardaumont bis zum Erreichen der
Linie Fleury—Souville-Nase—La Laufes (ausschl.) beträgt in der Tiefe
wenig mehr als zwei Kilometer und hat mehr als vier Monate in Anspruch
genommen.
Innerhalb dieser Zeit war es einmal, bei dem Gasunternehmen am
23. Juni, durch Anwendung eines neuen Kampfstoffes in geradezu durch-
schlagender Weise gelungen, das lange vergeblich angestrebte Ziel: die
Mattsetzung der feindlichen Artillerie, wenn auch nur für begrenzte Zeit,
zu erreichen. Es ist nicht ausgeschlossen, daß damals bei Einsatz starker
frischer Truppen und höchster Steigerung der eigenen Artilleriewirkung die
Wegnahme der die Stadt Verdun beherrschenden Höhenstellungen geglückt
wäre. Auch hier hat sich indessen, wie bei Jpern im April 1915, heraus-
gestellt, daß der Amfang der Wirkung solcher noch wenig erprobter Kriegs-
mittel schwer vorauszusehen ist, und daß eine zweite Verwendung, wie am
10./11. Juli, nicht mehr die gleichen Erfolge zeitigt.
Das ungenügende Ergebnis der mit so großer Hingabe durchgeführten
Angriffskämpfe war aber nicht nur in der Erschöpfung der eingesetzten
Truppen begründet, sondern wesentlich auch darin, daß die gewöhnlichen
Verhältnisse des Festungskrieges nicht vorlagen: Verdun war nicht
abgeschlossen. Die Festung war nicht auf die eigenen beschränkten
Hilfsmittel angewiesen, sondern bildete einen Teil der französischen Gesamt-
front, aus deren reichen Beständen an Truppen, Artillerie und Munition
Verbrauchtes jederzeit ergänzt wurde. Damit ergab sich eine Lage, die
sich wenig von derjenigen unterschied, die sich bisher bei jedem Versuch, das
feindliche Stellungssystem an der Westfront zu durchbrechen, herausgebildet
hatte. Von vornherein mußten daher Zweifel aufsteigen, ob die Fort-
führung des zunächst zum Stehen gekommenen Angriffs östlich der Maas
auf schmaler Basis sich wirksam erweisen werde, und ob nicht jetzt, wo das
rasche Anwachsen der feindlichen Gegenwehr in Aussicht stand, sehr viel
stärkere Kräfte auf breiterer Front anzusetzen waren.
Das konnte nur durch eine kräftige Offensive auf dem West-
u s e r geschehen. Indessen entartete der dort zu spät, und daher nicht mehr
überraschend begonnene Angriff schon von den ersten Tagen ab zur Material-
schlacht, in der nur noch Masseneinsatz von schwerer Munition zahlenmäßig
schwachen Sturmtruppen von Infanterie und Pionieren den Weg zu räum-
lich unbedeutendem Geländegewinn bahnte. Beabsichtigt war zunächst
nur, die Linie Höhe 304—Toter Mann—Eumiöres-Wald zu erreichen, um