380 Bedeutung der Kriegswirtschaft und Kriegsrüstung in der Gesamtkriegführung.
Mit allen Mitteln, auch solchen wirtschaftlich bedenklicher Art, wie
Heranziehung von Zwischenhändlern, die für ihre Vermittlungstätigkeit
erhebliche Gewinne einsteckten, oder wie Auftragsvergebungen ohne feste
Preisvereinbarungen, war die Heeresverwaltung bemüht, einem die Schlag-
kraft des Feldheeres ernsthaft bedrohenden Waffenmangel abzuhelfen. Jede
sich bietende Gelegenheit wurde ausgenutzt, um geeignete Schußwaffen zu
erhalten. In erster Linie war man darauf bedacht, die Neufertigung
in die Höhe zu treiben. Die Leistungsfähigkeit der staatlichen Gewehr-
fabriken wurde durch Neuanlagen, Vetriebserweiterungen, Vermehrung des
Maschinenparks, ferner durch zweckmäßigere Gestaltung ihrer Arbeitsweise
und Vetriebstechnik gesteigert. Zu gleichen Maßnahmen wurden auch die
Privatfabriken angehalten, deren Zahl man durch Heranziehung geeigneter
Betriebe erweiterte. Die bereits zu Kriegsbeginn eröffneten Instandsetzungs-
Werkstätten, denen die Wiederherstellung beschädigter Schußwaffen oblag,
wurden vermehrt, um die Gewehrfabriken ausschließlich für die Neufertigung
frei zu machen.
Naturgemäß erforderte die Durchführung dieser Maßnahmen und
Arbeiten Zeit, bis größere Ergebnisse erzielt werden konnten, zumal da die
Herstellung eines Gewehrs oder Karabiners 98 etwa sieben Wochen dauerte.
Vis Ende 1914 hatten daher insgesamt erst rund 220 000 Schußwaffen,
nicht einmal ein Sechstel des tatsächlichen Bedarfs, neugefertigt werden
können. Die durchschnittliche Tagesleistung betrug im Dezember 1914 rund
2300 Schußwaffen 98 gegenüber 1900 nach der planmäßig vorgesehenen
Neufertigung.
Der drückende Waffenmangel hatte das Kriegsministerium zeitweilig
sogar veranlaßt, einen Teil der Ersatzmannschaften ohne Schußwaffen
ins Feld zu senden. Von dieser Notmaßnahme wurde aber alsbald wieder
Abstand genommen und die Höhe der Crsatzgestellungen von der Möglich-
keit ausreichender Bewaffnung abhängig gemacht. Dem Waffenmangel bei
den Ersatzformationen suchte das Kriegsministerium durch Überweisung von
Gewehren 88 abzuhelfen, die bei Landsturmtruppen zum Teil durch
Gewehre 71 ersetzt wurden. Abgesehen von den damit verbundenen Nach-
teilen für die Schießausbildung reichten die vorhandenen Gewehre 88 jedoch
bei weitem nicht aus, um den Bedarf zu decken. Insbesondere suchte die
Heeresverwaltung aber an der Front das Verständnis für die unbedingte
Notwendigkeit zu fördern, alle entbehrlichen Waffen zu sammeln und unver-
züglich in die Heimat zurückzuführen. Die Waffensammelstellen wurden ver-
mehrt, Kriegsbeute-Kommissionen und Etappen-Sammel-Kompagnien er-
richtet, die die Sammeltätigkeit auch mit Hilfe eigens damit beauftragter