Volltext: Die Operationen des Jahres 1915 ; [3]. Die Ereignisse im Westen und auf dem Balkan vom Sommer bis zum Jahresschluß (9. 1933)

Der Friede von Bukarest. 
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Das bedeutete eine Belastung des seit 1883 bestehenden Bündnisses mit den 
Mittelmächten, die durch Magyarisierungsmaßnahmen der ungarischen 
Regierung in den letzten Jahrzehnten obendrein gefährlich gesteigert 
worden war; der Gegensatz zu Rußland wegen Vessarabiens begann dem- 
gegenüber zurückzutreten. Bei den 1913 an Bulgarien gestellten Forderun- 
gen hatte Rumänien ausreichende Unterstützung durch österreich-Angarn 
vermißt; als es dann Serbien Bundesgenossenschaft leistete, waren die Ve- 
Ziehungen zwischen beiden Staaten vollends erkaltet. Mit wachsendem Erfolg 
warb Rußland um Rumäniens Gunst. In Wien rechnete man nicht mehr 
mit rumänischer Waffenhilfe im Kriegsfalle. Die deutsche Regierung schätzte 
die Aussichten nicht ganz so ungünstig ein: König Karl, nach Herkunft und 
Vergangenheit den Mittelmächten zugeneigt, sah sich zwar einer wachsenden 
ungarnfeindlichen Strömung seines Volkes gegenüber, aber noch bestanden 
enge Beziehungen zum deutschen Heere, in dem zahlreiche rumänische Offi- 
ziere ihre Ausbildung genossen hatten, einige noch Dienst taten. 
Nächst Rumänien nahm jetzt Serbien mit etwa 4% Millionen 
Bewohnern eine überragende Stellung auf dem Balkan ein. Cs hatte 
einen Gebiets- und Bevölkerungszuwachs zu verzeichnen, der fast zwei 
Drittel des früheren Bestandes darstellte. Das Kraftgefühl des auf- 
strebenden Volkes war mächtig gestiegen; Rußland hatte ihm die Rolle 
als „Vorposten des Slawentums" auf dem Balkan zugewiesen. Gegen 
Süden und Osten waren die Ansprüche im wesentlichen befriedigt, ganz 
und gar nicht aber gegen Norden und vor allem gegen Westen; im Gebiet 
der Donau-Monarchie gab es noch etwa 5% Millionen nach serbischer Auf- 
faffung unerlöster Stammesbrüder. Serbien hatte, so schrieb der russische 
Außenminister am 6. Mai 1913 dem Gesandten in Belgrad^), nur das 
erste Stadium seines historischen Weges durchlaufen; es müsse zur Er- 
reichung seines Zieles noch einen furchtbaren Kampf aushalten; „Serbiens 
verheißenes Land liegt im Gebiete des heutigen österreich-Angarn". Dort- 
hin wandten sich jetzt in verstärktem Maße Hoffnungen und Tatendrang. 
Sie fanden Ausdruck in vermehrten, gegen die österreichifch-ungarifche Herr- 
schaft gerichteten völkischen Amtrieben, die im Thronfolgermord von Sera- 
jevo ihren Höhepunkt erreichten. In diesem Ausdehnungsbedürfnis nach 
Westen, gegen das Adriatische Meer, lag aber auch der Keim eines künftigen 
Gegensatzes zu Italien. 
Dem noch nicht % Million Einwohner zählenden kleinen Gebirgsland 
Montenegro, Serbiens voraussichtlichem Bundesgenossen, kam nur 
geringe Bedeutung zu. 
') Das deutsche Weißbuch über die Schuld am Kriege, S. III.
	        
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