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Die Westfront von Mitte April bis Anfang August 1915.
Besuch am 12. Mai im englischen Hauptquartier seiner Enttäuschung über
das Ergebnis der bisherigen englischen Offensive Ausdruck gegeben und mit
Nachdruck gefordert hatte, daß die britische 1. Armee entweder unver¬
züglich die Angriffe fortsetzen oder südlich des La Vassse-Kanals weitere
Frontabschnitte der Franzosen übernehmen sollte. Feldmarschall French
entschied sich für die Weiterführung der Offensive. Daraufhin war die bri¬
tische 1. Armee zwischen Richebourg l'Avouö und Festubert zunächst mit
drei Infanterie-Divisionen, die später durch frische Kräfte abgelöst wurden,
aufs neue zum Angriff gegen die Front des VII. Armeekorps angetreten.
In hartnäckigen, wechselvollen Kämpfen gelang es den Engländern, bis zum
18. Mai die deutschen Linien in mehr als drei Kilometer Breite zurück¬
zudrängen. Dann warfen sich ihnen neben den westfälischen Regimentern
beschleunigt herangeführte Bataillone der nördlich anschließenden Bayern
und Sachsen sowie der gemischten 38. Landwehr-Brigade der 4. Armee ent¬
gegen. Die vorübergehend diesem Kampfabschnitt drohende Gefahr war
gebannt. Am 20. und 21. Mai stießen britische Truppen an der Straße
Cstaires—La Bassee wiederum gegen die deutsche Front vor. Alle Angriffe
scheiterten jedoch an der unerschütterlichen Haltung der Verteidiger.
Die seit dem 9. Mai fast ununterbrochen währenden Kämpfe hatten
die Kräfte der 6. Armee in hohem Maße in Anspruch genommen.
Immer neue Verbände mußten von seiten der Obersten Heeresleitung der
schwer ringenden Abwehrfront im Artois zugeführt werden. Die 2. Garde-
Reserve-Division des X. Reservekorps, deren Eintreffen bereits angekündigt
war1), wurde dem VII. Armeekorps zur Verfügung gestellt und am 18. Mai
zwischen der 13. und 14. Infanterie-Division in die Kampffront einge¬
schoben. Da die andere Division des X. Reservekorps, die 19. Reserve-Divi¬
sion, bereits am 15. Mai der Armee-Abteilung Gaede auf deren Antrag
zugeleitet worden war, hatte General von Falkenhayn die Armee-Abtei¬
lung Stranh angewiesen, die 111. Infanterie-Division und die 80. In¬
fanterie-Brigade des VIII. Armeekorps, die vor kurzem schwere Kämpfe
im St. Mihiel-Vogen durchgesuchten hatten2), zur Verfügung zu stellen.
Die 111. Infanterie-Division sollte als eine, wenn auch noch nicht
wieder voll kampfkräftige Reserve der Obersten Heeresleitung bei Douai
versammelt werden, die 80. Infanterie-Brigade zu ihrem bei der 6. Armee
bereits eingesetzten VIII. Armeekorps zurücktreten. Von dem vorüber¬
gehend erwogenen Gedanken, die Infanterie der in Posen in der Bildung
begriffenen 103. Infanterie-Division auf mehreren Transportstraßen nach
dem Westen zu werfen, um dem Gegner den Antransport starker Kräfte vor-
0 S. 67. — 2) S. 50.