Volltext: Die Operationen des Jahres 1915 ; [2]. Die Ereignisse im Westen im Frühjahr und Sommer, im Osten vom Frühjahr bis zum Jahresschluß (8. 1932)

Die Entwickelung der Gaswaffe. 
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aber weniger giftig war. Die sogenannte 1-Granate wurde zum ersten 
Male Anfang 1915 an der russischen Front — infolge großer Kälte mit 
unzureichender Wirkung — verwandt. Voraussetzung für einen durch¬ 
schlagenden Erfolg war, daß Massenwirkung erzielt wurde. Diese durch 
Gas - Geschosse zu erreichen, war jedoch aus Mangel an Geschützen und 
Treibmitteln für solchen Sonderzweck anfangs ausgeschlossen. So verfiel 
man auf den Ausweg des Vlasverfahrens, wobei Luftströmungen 
das Gas gegen den Feind vortragen sollten. 
Die bestehenden völkerrechtlichen Abmachungen — die Haager 
Landkriegsordnung vom 29. Juli 1899/18. Oktober 1907 und die Haager 
Erklärung vom 29. Juli 1899 — rechneten im allgemeinen nicht mit einem 
Gaskriege. Die Haager Erklärung untersagte lediglich eine Verwendung 
von Geschossen, deren einziger Zweck die Verbreitung erstickender oder 
giftiger Gase war. Die Frage, ob diese Erklärung für die Kriegführenden 
infolge der „Allbeteiligungsklausel" seit dem 3. November 1914, dem Tage, 
wo die Türkei als Nichtvertragsmacht Kriegspartei wurde, überhaupt 
noch bindend war, konnte außer Betracht bleiben. Denn selbst wenn man 
davon ausging, daß die Erklärung zwischen den Vertragsmächten bindend 
blieb, entsprach die Anwendung von Granaten, die, wie die deutsche 
1-Granate, Splitterwirkung mit Gaswirkung verbanden, den völkerrecht¬ 
lichen Bestimmungen, weil die Verbreitung der Gase nicht „einziger Zweck" 
war. Dagegen hatte die französische Gewehrgranate keine Sprengwirkung 
und sollte dem einzigen Zweck dienen, giftige Gase zu verbreiten. Somit 
stellte die Anwendung dieser französischen Gewehrgranate den ersten 
Fall einer Verletzung des Völkerrechts auf dem Gebiete 
des Gaskampfes dar. Das allmählich entwickelte Blasverfahren war eine 
Erfindung der deutschen Kriegsindustrie und stand in keinem Widerspruch 
zu früheren völkerrechtlichen Abmachungen. Auch den Gesetzen der Mensch¬ 
lichkeit widersprach die Einführung der Gaswaffe nicht; denn der Hundert¬ 
satz an Todesfällen durch Geschoßwirkung war und blieb wesentlich höher 
als durch Kampfgas. Gaskranke konnten fast durchweg vollständig und 
dauernd ausgeheilt werden, ohne daß Verstümmelungen zurückblieben. 
Als Kampfgas wählte man zunächst Chlor, dessen Herstellung 
ohne Beeinträchtigung der heimatlichen Munitionsfertigung in ausreichen¬ 
dem Maße möglich war. Das Abblasen des flüssigen Chlors aus zahl- 
reichen, in den vordersten Gräben eingebauten Stahlzylindern versprach eine 
Chlorwolke zu entwickeln, die trotz des Gasverlustes in der freien Luft noch 
in genügender Dichte über die Kampfabschnitte des Gegners hinziehen 
mußte. Das Chlorgas hatte außerdem infolge seiner Flüchtigkeit die 
Eigenschaft, in der überfluteten Zone keine nennenswerten Rückstände
	        
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