Lage zur See. Neue 8. Armee und Armee-Gruppe Scholtz.
547
verschiedentlich durch Geschühfeuer und kleinere Landungsunternehmungen
beunruhigten. Der Oberbefehlshaber Ost sah sich genötigt, dem Küsten¬
abschnitt als Verstärkung eine Kavallerie-Division zuzuführen. Die Be¬
schießungen aber wurden um so unliebsamer empfunden, als eine Sicherung
gegen sie kaum möglich war. Zur Abwehr erbetene weittragende Geschütze
konnten von der Obersten Heeresleitung einstweilen nicht zur Verfügung
gestellt werden, und die Flotte war nicht in der Lage, zu helfen, wenn nicht
zum mindesten die Insel Osel genommen und ihr dadurch der nötige Rück¬
halt für dauernde Festsetzung im Rigaer Busen gegeben wurde1). An ein so
weitgreifendes Unternehmen war aber aus Mangel an Kräften einstweilen
nicht zu denken. Erst beim Zufrieren des Meerbusens war auf Ruhe von
See her zu hoffen.
An der gesamten Landfront des Oberbefehlshabers Ost ließ die
Kampftätigkeit nach, je weiter der Stellungsbau fortschritt und die Lage sich
damit festigte, während gleichzeitig Ermattung nach den ungeheuren
Anstrengungen des langen Sommerseldzuges, Munitionsmangel und der
Beginn des Winters beiden Seiten Beschränkungen auferlegte. Zwischen
10. und Njemen-Armee, die nunmehr die Bezeichnung „8. Arnte e"2)
erhielt, wurde am28.Oktober aus Abgaben beider die Armee-Gruppe
Scholtz neu gebildet, deren Front, bei Widsy beginnend, in den ersten
Novembertagen bis unterhalb von Dünaburg nach Norden erweitert wurde.
Hier hatten die Russen noch kurz vorher, am 6. November, unter Ver¬
wendung sehr brisanter japanischer Munition einen kräftigen Vorstoß
gemacht, der der deutschen 36. Reserve-Division ernste Verluste zufügte.
Nach ununterbrochenen Angriffskämpfen mutzte dieser Verband in Ruhe
zurückgenommen werden, denn die „Verpflegung war mangelhaft, Heran¬
schaffen von Wintersachen wegen dringender Munitionstransporte nicht
möglich gewesen"; die Leute der Division waren „teilweise nur noch in
Lumpen gekleidet"2).
Insgesamt maß die Landfront nach Abschluß der Kämpfe 590 Kilo¬
meter, die durch 33 Infanterie1)-, 7% Kavallerie-Divisionen und 52 Land¬
sturm-Bataillone gesichert wurden; der Gegner schien mit 60 Insanterie-
und 15Z4 Kavallerie-Divisionen gegenüberzustehen. 1% deutsche Kavallerie-
Divisionen und zwei Landsturm-Bataillone waren an der Küste eingesetzt.
i) S. 468. — 2) S. 541.
3) Kriegstagebuch der Armee-Gruppe Scholtz.
4) S. 524 und 540. — Die 80. R. D. (Brig. Montelon), 108. I. D. (Div. Beck¬
mann), 109. g. D. (174. g. Br. sHomeyerj) und 17. Ldw. D. (Abt. Esebeck) waren
umbenannt oder neu gebildet worden.
35*