Schlacht bei Wilna. Eingreifen des Oberbefehlshabers Ost. 507
Bedrohung von Osten her zur Zeit nicht vorliege. Ferner sei mit großer
Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, daß die Bahnlinien Molodeczno—
Polozk und Molodeczno—Wilna am 15. September durch die zu diesem
Zweck entsandte Kavallerie nachhaltig zerstört würden. Im übrigen ge¬
währe die starke Heereskavallerie in dem für abschnittsweises Aufhalten an¬
rückender Kräfte günstigen Gelände weitgehende Sicherheit für die Armee¬
flanke. „Diese Gegenvorstellungen", so heißt es in der Aufzeichnung weiter,
„wurden nicht anerkannt. Cs wurde Oberst Hell eröffnet, daß der Ober¬
befehlshaber Ost Abdrehen der Divisionen zu konzentrischem Angriffe spä¬
testens am 16. September verlange, und hinzugefügt, daß der telefonische
Befehl dazu alsbald erlaffen werden würde."
Dieser entscheidende Befehl des Oberbefehlshabers Ost lautete:
„Ich erwarte, daß die Armee spätestens am 16. September auf ihrer ganzen
Front angreift, da jeder spätere Zeitpunkt Lage nur zu unseren Angunsten
verändern kann."
Die 12. und 8. Armee sollten mitwirken. Sie hatten im Anschluß
an die Heeresgruppe Prinz Leopold am 14. September das Westuser des
besonders in seinem südlichen Teile breiten und sumpfigen Szczara-Ab-
schnittes sowie nördlich des Rjemen eine von der Szczara-Mündung im
allgemeinen nach Nordnordosten verlaufende Linie erreicht, die westlich von
Radun an den Südflügel der 10. Armee anschloß. Die Russen schienen
sich zu neuem Widerstände gesetzt zu haben. Hinter ihrer Front wurden
auf den Bahnen nach Minft und Molodeczno Truppenverladungen beob¬
achtet; es wurde versucht, sie durch Bombenangriffe von Fliegern und Luft¬
schiffen zu stören. Der Oberbefehlshaber Ost wies die 12. Armee darauf
hin, durch starken Druck auf dem nördlichen Rjemen-Afer in nordöstlicher
Richtung auch ihrerseits „auf die Auffassung der 10. Armee einzuwirken".
Die 8. Armee wurde gemahnt: „Ich erwarte, daß morgen, den 15. Sep¬
tember, Gruppe Plüskow energisch Gelände in Richtung Lida gewinnt."
Dadurch sollte der Gegner bei Wilna auch von Südwesten her eingeschnürt
werden.
c) Der konzentrische Angriff und die Verfolgung
vom 15. bis 19. September.
Karten 6 und 7, Skizzen 28 und 29.
Bei der 10. Armee diente der 15. September der Vorbereitung des is.septemver.
nunmehr auf den 16. festgesetzten allgemeinen Angriffs. Rach den bestimm¬
ten Weisungen des Oberbefehlshabers Ost sah sich Generaloberst
von Eichhorn genötigt, die vorher bereits erlassenen Befehle wieder
aufzuheben und seine Truppen scharf gegen Wilna einzudrehen.