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Die Operation des Oberbefehlshabers Ost gegen Wilna.
Mitte August, der Gegner, der vor der 10. und Rjemen-Armee in zusammenhängender, aber
nordöstlich von Kowno nur dünn besetzter Front stand, durchbrochen, das
heißt einerseits über Wilna nach Südosten und Süden, andererseits gegen
die Düna nach Nordosten und Norden zurückgeworfen werden, um für die
Kavallerie-Divisionen den Weg auf Minsk—Polozk freizumachen. „Es blieb
aber die Frage", so schrieb General Ludendorsf weiter, „ob bei dem sehr weit
nach Osten fortgeschrittenen Rückzug der Rüsten die Operation jetzt noch
gewinnbringend sein konnte. Es war kein Zweifel, daß jeder Tag, um den
sie hinausgeschoben wurde, sie weniger aussichtsreich machte. Ich erwog,
ob wir uns nicht mit einem Stoß über Olita—Orany auf Lida begnügen
sollten. Ich verwarf dies, weil alle ähnlichen Versuche, zu einer Flan¬
kierung zu kommen, in dem vergangenen Sommerfeldzuge zu keinem Erfolge
geführt hatten. Somit blieb ich in meinen Gedanken bei der großen Ope¬
ration, weil sie noch einen größeren Erfolg haben konnte. Wir waren auch
hier gezwungen, in das Ungewisse zu handeln." Der Durchbruch selbst
mußte der 10. Armee zufallen. Dazu war erforderlich, daß ihre rechte
Flanke durch weiteres Vorrücken der 8. und 12. Armee gegen den Feind
nördlich der Rokitno-Sümpfe, die linke gegen die Rüsten an der Düna und
gegen weitere Kräfte gesichert wurde, für deren Antransport die Vahn-
verhältniste dort recht günstig lagen. Diese Sicherung mußte Aufgabe der
Rjemen-Armee sein, die gegen die untere Düna vorzugehen hatte, während
weit ausgreifende Kavalleriemasten die Vahnbenutzung möglichst frühzeitig
lahmzulegen hatten. Sie wurden bereits seit Anfang August auf dem Süd-
flügel der Rjemen-Armee zusammengezogen^).
Truppen waren in erster Linie der 10. Armee zuzuführen. Der
Oberbefehlshaber Ost dachte dabei an Herausziehen von Teilen aus
der Versolgungsfront in Polen. Angesichts der abweichenden Auffassung
der Obersten Heeresleitung konnte er sich aber in dieser Hinsicht einstweilen
keine großen Hoffnungen machen. Zur erfolgreichen Durchführung der
Operation war den zu erwartenden Mehranforderungen des Nachschubes
Rechnung zu tragen, wie das der Narew-Feldzug soeben deutlich gezeigt
hatte. Diese Vorbereitungen mußten mit erheblicher Verstärkung an Trup¬
pen Hand in Hand gehen, denn je mehr die einzusetzenden Kräfte anschwollen
und je tiefer und rascher der Stotz geführt werden mußte, um operativ
wirksam zu werden, um so mehr mußte sich der Bedarf an Bahnlinien und
Transportmitteln für den Nachschub steigern. Diesem Bedürfnisse ent¬
sprachen aber die rückwärtigen Verbindungen einstweilen noch
in keiner Weste2).
i) S. 463 und 477. — 2) S. 472.