Der Sieg der Njemen-Armee bei Schaulen.
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wenn diese — wie jetzt anzunehmen war — in mehr südöstlicher Rich¬
tung, etwa auf Poniewiez, zurückgingen. Er wollte den Ring um sie
nicht nur von Norden, sondern auch von Süden schließen. Er befahl für
die Divisionen des Nordkorps (6. und 78. Reserve-Division) und des
Kavalleriekorps Schmettow (Egon) weiteres Vorgehen auf Schaulen und
Radziwiliszki; überall sollte der Feind angegriffen werden. Die Südgruppe
hatte dem Kavalleriekorps in der Richtung auf Radziwiliszki entgegen¬
zustoßen, das Korps Morgen den nächtlichen Abzug seines Gegners zu ver¬
hindern und am 21. Juli aufs neue anzugreifen.
In der Frühe dieses Tages stießen nun aber die Russen, kehrtmachend,
nach Osten gegen die deutsche 78. Reserve-Division scharf vor, während sie
das Herankommen der von Norden gegen sie angesetzten 6. Reserve-Division
bis in die Nachmittagsstunden verzögerten. Das Korps Morgen drang
zwar in das nachts vom Gegner geräumte Schaulen ein, kam darüber aber
nicht hinaus. So hatte die 78. Reserve-Division einen recht schweren Stand
und konnte nicht verhindern, daß starke russische Kräfte, vor allem an ihrem
Südflügel vorbei, nach Osten entkamen. Sie mußten auf die von Kosaki
an der Muscha bis nördlich von Rozalin in breiter Front sperrenden beiden
Kavallerie-Divisionen des Generalleutnants Grafen von Schmettow (Egon)
stoßen. Von der Südgruppe erreichte die 36. Reserve-Division unter
Generalleutnant Kruge kämpfend die Eisenbahn etwa halbwegs zwischen
Kiejdany und Schadow; weiter nördlich war der russische Widerstand stärker,
so daß die Division Beckmann und die bayerische Kavallerie-Division links
rückwärts von der 36. Reserve-Division erheblich zurückblieben.
Der Ring um den Feind war noch nicht geschlossen, beiderseits von
Schadow klaffte noch eine Lücke von 45 Kilometern. Der Weg nach Ponie¬
wiez stand dem Gegner offen. Aber auch im Norden war kaum damit zu
rechnen, daß die Kampfkraft des Kavalleriekorps Schmettow (Egon) aus¬
reichen würde, einen nachdrücklich geführten russischen Durchbruch aufzu¬
halten. Kämpfe und Märsche bei oft unzureichender Verpflegung und
schwierigem Munitionsersatz, auf vielfach grundlosen Wegen, in großer
Hitze und bei schweren Gewitterregen hatten vor allem die Truppen der
Nordgruppe stark in Anspruch genommen, die seit nunmehr einer Woche
ununterbrochen in Bewegung waren. Trotzdem mußte und sollte die letzte
Kraft eingesetzt werden, um doch noch zu dem angestrebten großen Erfolge
zu kommen.
Der Armeebefehl für den 22. Juli setzte das I. Reserve-
korps von Schaulen nach Südosten, mit dem rechten Flügel längs der Bahn
nach Schadow, zum Angriff an. Beide Flügelgruppen sollten gegen diese
Bahn einschwenken und dadurch östlich von Schadow den Ring schließen.