Räumung von Przemysl. Lage der Nordwestfront.
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Divisionen mit nur je 3000 Mann Gefechtsstärke^) bis zu ihrer Auffüllung
nach Riga zu verlegen. „Das wird die Öffentlichkeit beruhigen und den
Kaiser abkühlen", schrieb der Generalstabschef dem Kriegsministers. Die
neue 5. Armee sollte künftig, zusammen mit der O ft feeflotte,
den Weg nach Petersburg schützen. Admiral Kanin, der für den inzwischen
verstorbenen Admiral von Essen den Befehl übernommen hatte, stützte
sich dazu auf die Kriegshäfen im Finnischen Meerbusen; auf der offenen
Ostsee und im Rigaer, Busen hatte er fast nur leichte Streitkräfte, vor allem
Minenleger und Unterseeboote. Die 5. Armee wurde durch ihre Sonder¬
ausgabe aus dem Zusammenhang der übrigen Front herausgelöst; ihre rück¬
wärtigen Verbindungen führten nach Nordosten auf Riga. Damit gewann
die Festung K o w n o als rechter Flügelstützpunkt der Hauptfront erhöhte
Bedeutung und wurde daher dem Oberbefehlshaber der Nordwestfront
unmittelbar unterstellt, ihre Besatzung verstärkt. Alle Truppen westlich der
unteren Weichsel bis zur Pilica wurden unter Wegfall der bisherigen
5. Armee als 2. Armee zusammengefaßt.
Uber die Gesamtlage der Nordwe st front schrieb General s. und s. Iu»r.
Alexejew am 5. Juni dem Generalstabschef: Das Entscheidende sei, daß
sie ohne Reserven „gewissermaßen zu einem dünnen Faden gedehnt" sei.
Nachdem in letzter Zeit zwölf Divisionen?) für die Südwestfront und
sieben für den Raum nördlich des Riemen4) herausgezogen worden seien, sei
die Frontbesatzung so geschwächt, daß der Gegner auch die stärkst aus¬
gebauten Stellungen nach gründlicher Artillerievorbereitung durchstoßen
könne. Cs bleibe daher nur übrig, die Front durch Ausweichen hinter den
Narew und in die Grojec-Stellung zu verkürzen; dann könnten bis zu
vier Korps als Reserve ausgespart werden. Cs gelte, den Armeen ihre
Kampfkraft zu erhalten, Rücksichten auf die moralische Wirkung des Aus-
weichens müßten demgegenüber zurücktreten. Cs sei aber keine Zeit zu ver¬
lieren, damit man nicht noch in den jetzigen weitgedehnten Stellungen an¬
gegriffen werde. Sei die Umgruppierung erst durchgeführt, dann könne auch
wieder an Angriff gedacht werden. Anders faßte der Oberbefehlshaber der
Südwe st front die Lage auf. Als ihm General Vrussilow am 6. Zum
vorschlug, zur Erhaltung des Heeres allmählich auf rückwärtige Stellungen
zurückzugehen, um die große Schlacht etwa an der Gnila Lipa zu schlagen,
wollte General Fwanow davon nichts wissen. Cr antwortete, die Aufgabe
0 S. 440, Anm. 4.
2) Briefwechsel Suchomlinow/Ianuschkewitsch, 7. Juni.
3) S. 440, Anm. 4.
4) Im Mai III. Korps (56. u. 73. Div.), XIX. Korps (17. u. 38. Div.), XXXVII.
Korps (6., 68. u. 79. Div.); außerdem Inf. Brig. XIII., 1. kauk. u. 3. turk. Schütz. Brig.