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Die Lage der Mittelmächte im Mai 1915.
die ärmsten Vevölkerungsteile in Not versetzen mußte, waren von einer
besonders errichteten Reichsstelle alle verfügbaren Kartoffeln aufgekauft
worden. Daneben machte sich ernstliche Knappheit an Hafer fühlbar,
die zu Beschlagnahmungen zugunsten der Heeresverwaltung zwang. Als
der Hafermangel sich weiter verschärfte, mußte auch die Gerste beschlag¬
nahmt werden. Endlich hatte der Mangel an Zucker zur zentralen Ver¬
teilung des Rohzuckers geführt. Darüber hinaus aber mußte damit ge¬
rechnet werden, daß noch weitere Eingriffe in das freie Wirtschaftsleben
notwendig sein würden, um die Versorgung des Heeres und der Bevölke¬
rung sicherzustellen. Die Zuschüsse aus den von deutschen Truppen b e -
setzten landwirtschaftlichen Gebieten hatten bisher die Ernährung des
Heeres erleichtert, und der eingeleitete planmäßige Anbau der Felder in
Feindesland versprach bei der kommenden Ernte weitere Hilfe für das
Heer, konnte jedoch die Heimat kaum wirksam entlasten.
Auch in der Donau-Monarchie waren zuerst im Oktober 1914
Crnährungsschwierigkeiten entstanden, die eine Schwächung der Kampfkraft
des Verbündeten zur Folge hatten. Vbr dem Kriege bildeten Österreich
und Ungarn eine Zolleinheit, bei der die agrarische Überproduktion Ungarns
die in Österreich fehlenden Mengen an wichtigsten Lebens- und Futter¬
mitteln fast deckte. Im Kriege aber wurde auch die wirtschaftliche Lage
Ungarns schwieriger. Als daher die ungarische Regierung zu Beginn
des Jahres 1915 zur Beschlagnahme von Getreide, Mehl und Mais griff,
während Österreichs wichtigste Agrargebiete Galizien und die Bukowina
als Kriegsgebiete ausfielen, sah sich Österreich zu ähnlichen Maßnahmen
wie Deutschland gezwungen. In langwierigen Verhandlungen wurde ver¬
sucht, Zuschüsse an Lebensmitteln aus Ungarn auch weiterhin zu erhalten
und bei der Versorgung des gemeinsamen Heeres die österreichische Wirt¬
schaft zu entlasten. Trotzdem flössen die Zufuhren aus Ungarn immer
spärlicher. Jedenfalls blieb die Crnährungslage Österreichs
ein Gegenstand dauernder ernster Sorgen.
Angesichts dieser Sachlage war es ein fühlbarer Schlag für das gesamte
Wirtschaftsleben der Mittelmächte, als sich durch den Eintritt Italiens in
den Krieg eine der wenigen, noch vorhandenen Cinfuhrpforten schloß.
Dieser Rachteil fiel um so schwerer ins Gewicht, als sich die wirtschaftliche
Gesamtlage Deutschlands, vor allem durch die nun bereits fast zehn Monate
währende Unterbindung der Zufuhr über die Nordsee gerade in jenen
Wochen außerordentlich schwierig gestaltet hatte. Eine weitere wesentliche
Verschärfung der wirtschaftlichen Lage Deutschlands hatte in dieser Zeit die
Eröffnung des Unterseeboots-Handelskrieges zur Folge').
i) Band VI, S. 425/426.