294 Der Angriff des Oberbefehlshabers Ost gegen die russische Narew-Front.
15.3«»«. geglaubt, daß der Angriff das russische Stellungsnetz so schnell durchdringen
werde. Cs erhob sich die Frage, in welcher Richtung die Operation weiter
zu führen sei.
Fm Nahmen der G e s a m t l a g e i n Polen hatte das rein fron-
tale Zurückweichen der Russen auf Wyszogrod—Plonsk—Makow noch nichts
Entscheidendes zu bedeuten. Links der unteren Weichsel war ihre Front vor
der deutschen 9. Armee schon seit langem bis in Höhe von Wyszogrod
zurückgedrückt gewesen; sie wurde erst dann unhaltbar, wenn die Rarew-
Linie selbst fiel. Trotzdem lagen aber schon seit Monatsanfang Anzeichen
dafür vor, daß die Russen auch links der Weichsel ausweichen wollten, und
zwar zunächst in die Grojec—Vlonie-Stellung, die in dem starken Eckpfeiler
Rowogeorgiewsk völlig gesicherten Anschluß an die Rarew-Linie bot. Lust-
erkundung, abgehörte Funksprüche und Gefangenenaussagen ergaben über¬
einstimmend den Eindruck, daß die planmäßige Räumung des Gebietes
westlich der Weichsel eingeleitet werde. Ausgedehnte Zerstörungsma߬
nahmen schienen im Gange zu sein; Dörfer gingen in Flammen auf; die
Bevölkerung, so hieß es, werde abgeschoben. Zwei russische Korps (VI. sibi-
risches und IV.) waren weggezogen worden; die Stellungen vor dem Süd¬
flügel der 9. Armee sollten wesentlich schwächer als früher besetzt sein. So
mußte jederzeit mit der Möglichkeit gerechnet werden, daß der Gegner vor
der 9. Armee auswich. Ob er dann versuchen würde, im Anschluß an die
große und starke Festung Rowogeorgiewsk die Grojec—Vlonie-Stellung im
Süden und die Rarew-Linie im Norden weiterhin zu halten, oder ob er
unter dem Drucke der Offensive der Heeresgruppe Mackensen, die zwischen
Bug und Weichsel nach vorübergehendem Stillstände fortgesetzt werden
sollte1), alsbald weiter zurückweichen würde — immer blieb es wichtig, daß
der Stoß der Armee-Gruppe Gallwitz möglichst tief in seinen Rücken traf,
daß sie also beim weiteren Angriff ostwärts vorhielt.
Demgegenüber hatte General von Gallwitz die Absicht, mit seinen
Hauptkräften in der Richtung auf Pultusk—Nozan weiterzugehen; das
Korps Eben sollte gegen Ostrolenka decken, das, wie er hoffte, von der
8. Armee angegriffen werde. Bei einem Ferngespräch über diese Frage
wollte General Ludendorff, nachdem jetzt die feindlichen Stellungen in ihrer
ganzen Tiefe durchstoßen waren, den entscheidenden Angriff doch „mehr
gegen Ostrolenka gerichtet haben und dafür lieber an der Weichsel Gelände
freigeben". General von Gallwitz hielt solche Ausdehnung des Angriffs
aber für zu breit; nach der jetzt entstandenen Lage sei Rozan der am leich¬
testen anzupackende Punkt. Ein Ausgreifen bis Ostrolenka brächte uns vor
*) Die Bug-Armee griff bereits an diesem Tage (15. Juli) an; vgl. S. 387.