Vorschlag des Obersten von Seeckt zum Einschwenken nach Norden.
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fanterie-Division zur Südarmee bereit. Die Anordnungen hierzu ergingen
am Nachmittage des 14. Juni.
Am 15. Juni legte der Generalstabschef der 11. Armee, Oberst
von Seeckt, in einer der deutschen Obersten Heeresleitung unterbreiteten
Beurteilung der Lage dar, wie Generaloberst von Mackensen sich die Fort¬
führung der Gesamtoperationen auf dem galizischen Kriegsschauplatz nach
der erhofften und erstrebten Durchbrechung der feindlichen Stellungen west¬
lich und nordwestlich von Lemberg dachte. Der Stoß der 11. Armee sollte
dann noch so weit nach Osten fortgesetzt werden, daß der größte Teil der in
Galizien befindlichen russischen Kräfte von der Hauptmaste ihres Heeres
abgesprengt wurde. Eine Einkreisung namhafter Kräfte auf dem nördlichen
Ufer des Dniester durch umfastendes Vorgehen östlich und nördlich von Lem¬
berg hielt Oberst von Seeckt bei frühzeitig erfolgendem Rückzug des Feindes
nicht für wahrscheinlich, doch hoffte er, starke Teile durch kräftigen Druck
gegen die von Lemberg nach Norden führenden Straßen in östlicher und
nordöstlicher Richtung abdrängen zu können. Damit sah er die Aufgabe
der 11. Armee nach dieser Seite hin als voraussichtlich beendet an. Das
weitere Zurückdrängen des Feindes in Galizien nach Nordosten und Osten
sollte der ö.-u. 7. Armee und der Südarmee zufallen. Für den gesamten
linken Heeresflügel, die 2., 11. und 4. Armee, schlug Oberst von Seeckt
Einschwenken nach Norden vor. „Das Ziel dieser Operation",
so hieß es in dem Schreiben, „wäre dann das Vorgehen der 2. und 11. Armee
zwischen Bug und Weichsel gegen die Linie Brest Litowsk—Warschau,
während die 4.Armee beiderseits der Weichsel vorgeht. Damit wäre
die Entscheidung gegen die russische West - und Nord¬
west front herbeizuführen."
Hier wurde zum ersten Male der große operative Gedanke ausge¬
sprochen, der dann später, wenn auch unter veränderten Umständen, Wirk¬
lichkeit werden sollte. General von Falkenhayn stand ihm in diesem Zeit¬
punkt noch sehr zurückhaltend gegenüber, wie seine Randbemerkung zu dem
letzten Satz des Schreibens des Obersten von Seeckt beweist: „Ein schöner
Gedanke! Aber?" Der hierin ausgedrückte Zweifel des Leiters der Ge-
samtoperationen an der Möglichkeit, nach Abschluß der zur Zeit noch im
Gang befindlichen Operationen in Galizien eine neue, weitzielende Offen¬
sive auf dem östlichen Kriegsschauplätze einzuleiten und durchzuführen, ent¬
sprang vornehmlich der Sorge um die Aufrechterhaltung des Widerstands¬
vermögens der deutschen Westfront, gegen die gerade jetzt wieder an
mehreren Stellen neue schwere Angriffe bevorzustehen schienen*). General
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