100 Die Westfront von Mitte April bis Anfang August 1915.
nicht zu rechnen ist, Auch der Stellungsbau wird nunmehr so weit fort¬
geschritten sein, daß die Armee in der Lage ist, nennenswerte Kräfte zur
Verfügung der Obersten Heeresleitung zu stellen. Eine feindliche Offen¬
sive an anderer Stelle gewinnt an Wahrscheinlichkeit. Für diesen Fall
muß Vorsorge getroffen werden. Ich bitte daher, außer der 185. Infan¬
terie-Brigade^ für die allernächste Zeit das Herausziehen des III. Armee¬
korps in Aussicht zu nehmen."
Infolge der Beendigung der Kampfe im Artois zögerte General
von Falkenhayn nicht, dieser veränderten Lage durch Ablösung und
Bereitstellen stärkerer Kräfte als Heeresreserven Rechnung zu tragen. Außer
der 185. Infanterie-Brigade sollten zur Verfügung der Obersten Heeres¬
leitung stehen: die 123. Infanterie-Division der 6. Armee sowie eine Anzahl
bespannter schwerer Feldhaubitz- oder Mörser-Batterien, ferner die 183. In¬
fanterie-Brigade. Die 54. und 58. Infanterie-Division sowie das Minen*
werfer-Vataillon 1 wurden vom 20. Juli ab nach dem östlichen Kriegs¬
schauplatz abbefördert.
29.3»«. Für den 29. Juli berief General v o n F a l k e n h a y n die Chefs der
Generalstäbe der Westarmeen zu einer Besprechung nach Metz2). Cr lei¬
tete sie mit einer warmen Anerkennung für das Westheer ein und sprach
im Namen des Obersten Kriegsherrn dessen Dank aus: „Die Leistungen
des Westheeres in dieser schweren Zeit stehen den Leistungen des Ostheeres
würdig an der Seite, ja eine gerechte Kriegsgeschichtschreibung wird sie
einmal als die höheren beurteilen und würdigen^)." In der Übersicht, die
er über die Lage auf dem oft liehen Kriegsschauplatz gab, wies
er darauf hin, daß die Zähigkeit der Russen, die unter Ausnutzung der
natürlichen Hindernisse und ihres fast unerschöpflichen Ersatzes an Mann¬
schaften immer wieder in neuen Stellungen Widerstand leisteten, noch kein
Arteil über den Abschluß der Operationen zuließe. Wenn auch eine neue
Offensive des Ostheeres, die seine Kräfte bis in den Winter hinein fesseln
!) Die 185. I. Br. (drei Regimenter) war am 26. Mai dem Armee-Oberkom¬
mando 2 zur Verfügung gestellt worden. Ende Juni hatte sich die O. H. L. damit
einverstanden erklärt, daß zwei Regimenter der Brigade gegen Rücksendung der zu¬
sammengesetzten 52. R. 3. Br. der 6. Armee zugeführt würden. Vgl. S. 93.
2) An dieser Besprechung nahmen außerdem teil: der Generalquartiermeister,
General Freiherr von Freytag-Loringhoven, der Generalintendant, General von Schüler
sowie der Chef des Feldflugwesens, Major Thomsen. Der Chef der Operations¬
abteilung, General Tappen, war mit Rücksicht auf die Operationen an der Ostfront
in Pleß zurückgeblieben.
3) Tagebuchaufzeichnung des damaligen Oberstleutnants von Mertz vom
29. Juli 1915.