Volltext: Der Herbst-Feldzug 1914 ; 2. Der Abschluß der Operationen im Westen und Osten (6. 1929)

Betrachtungen. 
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Vernichtungsschlage auszugestalten; der allein konnte uns endgültig retten. 
Es genügte nicht, den Feind nur zum Stehen zu bringen. Auch dieser 
Gedanke ist nicht plötzlich entstanden, er hat sich allmählich gebildet." Das 
so erweiterte Ziel zu erreichen, war nicht geglückt; dazu hatten die aus dem 
Westen erbetenen Verstärkungen gefehlt. Mit gebundener Klinge stand 
man sich gegen Ende November gegenüber; das Kräfteverhältnis — nicht 
der reinen Zahl nach, wohl aber gemessen am Kampfwert der Truppen — 
war dem Gleichgewicht nahe. Auch darin schon lag für die deutsche Seite 
ein Gewinn. — Hätte mehr erreicht werden können? 
Sobald am 3. November der Entschluß zur neuen Operation endgültig 
feststand, wurde die Versammlung der 9. Armee dank der Leistungsfähigkeit 
der deutschen Eisenbahnen und ihrer reibungslosen Zusammenarbeit mit 
der Truppe schneller durchgeführt, als es der Gegner für möglich hielt, 
und auch schneller, als es die eigene Oberste Heeresleitung erwartet hatte, 
die an eine ähnliche Operation mit weit stärkeren Kräften, dafür aber zu 
einem späteren Zeitpunkte dachte. Hätte sie darum den Angriff noch im 
letzten Augenblicke anhalten, die durch den raschen Aufmarsch in des Feindes 
Flanke gewährleistete Überraschung preisgeben und den Gegner, wie es 
dann nicht zu vermeiden war, weit ins deutsche Land hereinlassen sollen? 
Der Erfolg hätte, wenn später der große Schlag gelang, um so vollständiger 
sein können. Die Oberste Heeresleitung hat aber auf solches Eingreifen ver¬ 
zichte?), und auch General Ludendorff urteilte nach dem Krieges: „Wir 
durften im Osten mit dem Beginn der Operation nicht warten, selbst wenn 
wir am 10. November über die Verstärkung wirklich klar gesehen hätten." 
Es ist mehr als fraglich, ob abgekämpft eintreffende Verstärkungen von der 
Westfront die Nachteile längeren Zuwartens später hätten ausgleichen 
können. 
Die überraschende Vereitstellung der deutschen 9. Armee in der rus- 
fischen Flanke war eine auch vom Gegner anerkannte Leistung, die zu 
weitgehenden Hoffnungen berechtigte. Rechtzeitiger russischer Angriff in 
der Richtung auf Tfchenstochau, meint General Danilow, damals Chef 
der Operationsabteilung°), „hätte den Plan des deutschen Gegenangriffs 
vereiteln können. Demnach hatten wir den Verlust unserer Handlungs- 
fteiheit und alle damit verbundenen üblen Folgen nur unserer eigenen 
Ungeschicklichkeit und der Unfähigkeit, alle der Durchführung unseres ur- 
sprünglichen Angriffsplanes entgegenstehenden Hindernisse fortzuräumen, 
zuzuschreiben... Unserer Langsamkeit und Unfähigkeit, uns rechtzeitig über 
alle Vorgänge beim Gegner Aufklärung zu verschaffen, hatten die Deutschen 
*) S. 9 und 55. — 2) Ludendorff, Erinnerungen, S. 80. — 3) Danilow, 6. 333 f.
	        
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