Full text: Der Herbst-Feldzug 1914 ; 1. Im Westen bis zum Stellungskrieg, im Osten bis zum Rückzug (5. 1929)

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Eine Krise des Zweifrontenkrieges. 
gestellt. Die osmanische Flotte hatte am 29. Oktober im Schwarzen Meere 
dicht vor dem Eingange zum Bosporus einen äußerlich als Handelsschiff 
getarnten russischen Minenleger bettoffen, der augenscheinlich im Begriffe 
war, Minen zu legen, und zwar innerhalb der türkischen Hoheitsgrenze. 
Diese feindselige Handlung veranlaßte den Admiral Souchon, das russische 
Minenschiff zu beschlagnahmen und als Vergeltung die russischen Kriegs- 
Häsen zu beschießen sowie den Kampf mit den russischen Seestreitkräften auf- 
zunehmen. Am 2. November erfolgte darauf die russische Kriegserklärung 
an die Hohe Pforte. 
Entsprechend den Abmachungen zwischen der deutschen und osmanischen 
Heeresleitung waren die Hauptkräfte der türkischen Armee, sechs Armeekorps, 
bei Konstantinopel zu versammeln zum Schutz der Hauptstadt gegen 
etwaige Landungen und zum Einsatz gegen Rußland auf europäischem 
Boden. Zur Fesselung starker russischer Kräfte an der Kaukasusfront standen 
weitere drei türkische Korps im armenischen Grenzgebiet bereit. Zu einem 
Vorstoß gegen Ägypten wurde ein Korps im südlichen Palästina zusammen¬ 
gezogen. Die Leitung der gesamten Operationen lag in den Händen des 
Kriegsministers Cnver Pascha, der einen großen Teil wichtiger Befehls- und 
Verwaltungsstellen mit Offizieren der deutschen Militär-Mission besetzte. 
Mit dem Kriegseintritt der Türkei eröffneten sich neue Aussichten für 
die Kriegführung gegen England wie gegen Rußland. Die Möglichkeit 
einer vollständigen Niederwerfung des östlichen Gegners rückte näher. 
Durch die nunmehr endgültige Schließung der Dardanellen, deren vorüber¬ 
gehende Sperrung für den internationalen Verkehr bereits am 27. Sep¬ 
tember von der Pforte angeordnet worden war, verlor Rußland nicht nur 
den kürzesten Verbindungsweg zu seinen Verbündeten, sondern es drohte 
ihm zugleich die Absperrung aller Zufuhr vom Mittelländischen Meere. 
Wenn es gelang, durch überlegenen Kräfteeinsatz und erfolgreiche Opera¬ 
tionen auf dem östlichen Kriegsschauplatz auch Rumänien und Bulgarien 
auf die Seite der Mittelmächte zu reißen, so konnte das Schicksal Rußlands 
und Serbiens besiegelt werden. 
In dieser entscheidenden Stunde erreichte General v. Falkenhayn am 
4. November ein Telegramm des Generalobersten v. Hindenburg, das den 
Entschluß zur Umgruppierung der deutschen Hauptkräfte nach dem Osten 
geradezu aufdrängte: „Es wird beabsichtigt, drei Armeekorps der 9. Armee 
in Gegend Posen—Thorn zu vereinigen, um von dort mit Kräften der 
8. Armee Offensive zu ergreifen." Diese in wirksamster Richtung geplante 
Operation bot Aussicht auf einen großen Erfolg, wenn sie mit starken 
Kräften geführt wurde. Das Ostheer allein aber war hierzu zu schwach; 
seine Verstärkung durch Truppen aus dem Westen war mithin das drin-
	        
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