8. Armee. — Gefecht bei Ratschki.
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konnten die Landwehrtruppen eine ihrer Leistungsfähigkeit entsprechende
Verwendung finden, die aktiven und Reserve-Truppen als Stoßgruppe auf
dem Nordslügel vereinigt werden. Am Abend des 1. Oktober meldete General
v. Schubert an die Oberste Heeresleitung: „Feindlicher Vormarsch heute
auf Front Pilwischki—Mariampol—Ludwiuow—Seiny—Augustow—
Grajewo—Schtschutschin festgestellt. Davon nördlich des Waldes von
Augustow 1. Armee mit vier Korps, darunter neu das XVIII. Korps") und
einige Reserve-Divisionen, im und südwestlich des Waldes von Augustow
10. Armee mit etwa vier bis fünf Korps. Heute für uns günstiger Kampf
zwischen Augustow und Suwalki, der auch noch morgen dauert. Alsdann
allmähliches Ausweichen vor Umfassung auf erweiterte Lützen- und Angerapp-
Stellung. Dort voraussichtlich Entscheidungsschlacht. Landwehr infolge
dauernder Kämpfe und durch schlechte Witterung sowie tief aufgeweichten
Boden nur noch sehr bedingt verwendungsfähig." — Der Armeebefehl für
den 2. Oktober regelte die Vorbereitungen für den Rückzug. Landwehr,
Trains und Troß wurden westwärts auf Lützen vorausgesandt, das Korps
Velow hatte die Stellungen bei Wirballen zu halten, während das Korps
Morgen und das I. Armeekorps den Kampf bei Ratschki „zum Abschluß"
bringen sollten, denn hier war vielleicht noch ein Erfolg zu erreichen. Lange
aber konnte man sich auch dabei nicht mehr aufhalten; im Befehl hieß es
daher: „Ganze Lage zwingt dazu, möglichst schnell mit dem Gegner zu Ende
zu kommen. Wenn erforderlich, muß sich das I. Armeekorps mit einem
Nachtmarsch einer überlegenen Umfassung des Gegners von Norden und
Osten auf Filipowo entziehen. . . . Korps Morgen, von hier aus nicht
erreichbar2), muß nach Umständen handeln."
Beim Korps Morgen begann der 2. Oktober mit heftigem
Angriff der Russen gegen den linken Flügel der 3. Reserve-Division nörd¬
lich Ratschki. Gleichzeitig gelang es aber dem rechten Flügel dieser Divi-
sion, nunmehr auch südlich Ratschki die Rospuda-Äbergänge zu gewinnen.
Vis zum Abend war der Gegner auf der ganzen Divisionsfront über den
Scheberka-Abschnitt zurückgeworfen. General v. Morgen hatte den Ein-
druck, daß der russische Widerstand gebrochen sei. „Ich werde meinen
Erfolg rücksichtslos ausnutzen" — meldete er abends dem Oberbefehls-
haber — „und hoffe dadurch, die Armee in eine so günstige Lage zu bringen,
daß sie nicht nötig hat, den weiteren Rückzug anzutreten und wieder die
Grenze zu überschreiten. . . . Zch hoffe, daß sich auch die übrigen Teile
Euerer Exzellenz Armee des überlegenen Gegners erwehren werden.
*) Hier lag ein Irrtum vor.
2) Fernsprechverbindung bestand nicht. Im übrigen kann es sich nur um eine
ganz kurzfristige Unerreichbarkeit gehandelt haben.