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Der Feldzug im Osten bis Ende Oktober 1914.
8y2Kavallerie-Divisionen gerechnet werden. Trotzdem pflichtete der neue
Oberbefehlshaber der deutschen 8. Armee der Auffassung
bei, die ihm sein Generalstabschef als Kenner der Verhältnisse vortrug.
Sie ging dahin, daß der Gegner nach seinen schweren Niederlagen so bald
nicht wieder zu neuen Unternehmungen fähig sein werde; planmäßigen,
kraftvollen Infanterieangriff habe er, selbst als er noch ungeschwächt war,
niemals durchgeführt, auch seine Widerstandskrast in der Abwehr sei vor¬
läufig noch gering einzuschätzen.
General v. Schubert sah es als seine Aufgabe an, das Fortziehen
eigener Kräfte zu verschleiern und den Feind in dem Glauben zu halten,
daß er die 8. Armee noch in bisheriger Stärke vor sich habe. Das mußte
auch den Operationen der neuen 9. Armee in Südpolen zugute kommen. Cr
wollte, durchaus im Sinne seines Vorgängers, die Siege in Ostpreußen, so
lange es noch möglich war, weiter ausbauen. Nur durch kühnes und schnelles
Handeln war solches zu erreichen; die Rücksicht auf die eigenen Truppen, die
zur Hebung ihrer Kampfkraft der Nuhe fast ebenso dringend wie die Russen
bedurft hätten, mußte zurücktreten; die schon eingeleiteten Unternehmungen
sollten kräftig weitergeführt werden.
2«.bis22.Sep. Diese Absichten fanden im Armeebefehlvom 20. September
tcmber. Niederschlag. Der Grundgedanke war: Angriff auf dem rechten Flügel
und in der Mitte, Abwehr im Norden. Man hielt fest an dein Gedanken,
den Fall der Festung Ossowjez durch Vorstoß der 3. Reserve-Division von
Augustow über den oberen Vobr herbeizuführen. Hm ihr den schwierigen
Weg durch das Sumpfgelände des Augustower Forstes zu öffnen, sollte das
I. Armeekorps von Suwalki aus über Seiny—Sopozkinje diese Wal-
düngen östlich umgehen. Die Möglichkeit, sich dabei durch Handstreich
sogar der Festung Grodno zu bemächtigen, erschien dem Armee-Ober-
kommando nicht ausgeschlossen. Der 1. Kavallerie-Division wmde die
Unterbrechung der von Grodno und Kowno nach Wilna führenden Bahnen
aufgetragen.
Schon die nächsten Tage stellten das Oberkommando vor neue Ent¬
schlüsse. Am 21. September abends ging die Weisung des General-
obersten v. Hindenburg ein, die die 35.Reserve-Division von Mlawa
nach Thorn zurückrief und zum Vorgehen auf dem linken Weichsel-llfer
bestimmte*). Nach dieser Weisung sollte aber außerdem von der 8. Armee
ein möglichst starker Druck in der Richtung auf Warschau ausgeübt und
dazu, nach dem Vorstoß gegen die Bahn Warschau—Grodno, ein Vorgehen
von ein bis zwei Divisionen aus der Gegend von Mlawa nach Süden vor¬
i) Vgl. S. 414.