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Der Feldzug im Osten bis Ende Oktober 1914.
ners bereit. Die Zuweisung von Ergänzungsmannschaften und die Rück-
gäbe eines Teiles ihrer bei der Feldarmee befindlichen bespannten Artille-
rie hob ihre Verteidigungskraft, soweit das eben möglich war. Die
Weichsel oberhalb von Thorn sollte durch Minen gesperrt werden.
Die 8. Armee in Ostpreußen") hatte man den ganzen Ernst der
Lage in Polen zunächst noch nicht wissen lassen. Für ihre geringen Kräfte
bestand vorläufig keine unmittelbare Gefahr; mit der Bahn, Teile auch
über die Nehrung und auf dem Wasserwege, konnte man sie nötigenfalls
noch in letzter Stunde zurücknehmen. Je länger General v. Francis sich
hielt, um so mehr entlastete er auch die Front der 9. Armee. Auf die am
26. Oktober vom Generalobersten v. Hindenburg an ihn gesandte Auf.
forderung, alle verfügbaren Kräfte nach Thorn zu schicken, war keine Antwort
eingegangen. Am 28. Oktober meldete General v. Franyois an die Oberste
Heeresleitung auf eine unmittelbare Anfrage von dort, er befinde sich „im
fortschreitenden Angriff gegen überlegenen verschanzten Feind. Entschei-
dung etwa in acht Tagen zu erwarten. Nach Waffenerfolg Abtransport
von Teilen nach Thorn für 9. Armee. Höhe der Abgaben an 9. Armee
abhängig von Umfang des Erfolges. Rest bleibt auf russischem Boden
zum Schutze von Ostpreußen." Angesichts der Gesamtlage erregten diese
Absichten beim General v. Falkenhayn doch starke Bedenken. Als
er dem Generalobersten v. Hindenburg, der seitens der 8. Armee bisher
noch nicht unterrichtet war, von ihnen Kenntnis gab, ließ dieser am
28.0 k t o b e r abends an General v. Franczois drahten: „Lage wird Einsatz
starker Kräfte 8. Armee zum Schutze Westpreußens baldigst nötig machen.
Ersuche um eingehende Meldung über Verhältnisse bei 8. Armee." General
v. Frantzois antwortete am 29. O k t o b e r, es sei noch nicht zu übersehen,
wann die Entscheidung falle; „nach Waffenerfolg Abtransport von ein bis
zwei Armeekorps nach Thorn beabsichtigt. Muß Angriff vorzeitig aufgegeben
werden wegen Westpreußen, voraussichtlich allmählicher Rückzug und damit
Freigabe von ostpreußischem Gebiet erforderlich. Bitte 8. Armee dauernd
über dortige Absichten und Stellung zu unterrichten." In dieser Antwort
sah man beim Armee-Oberkommando 9 ein abermaliges Ausweichen und
bat die Oberste Heeresleitung, einzugreifen. Da meldete General v. Franyois
am 39. O k t o b e r, er könne den Angriff wegen Mangel an Munition nicht
weiterführen. Erst hiermit kam an der ostpreußischen Front die Frage des
Rückzuges hinter die Seen und der Abgabe von Truppen nach Thorn
in Fluß.
Inzwischen hatte die deutsche 9. Armee den Rückzug unbehindert
') Vgl. 6. 540.