9. Armee und Oberste Heeresleitung.
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ganz fortzunehmen, um sie unmittelbar an den Nordflügel der 9. Armee
heranzuziehen. Dagegen mußte der Gedanke eines Vorstoßes von Teilen
der 8. Armee von Mlawa auf Warschau vorläufig aufgegeben werden.
Diese Armee gebrauchte ihre geringen Kräfte zunächst sämtlich für die Ab-
wehr an der ostpreußischen Ostgrenze. Durch sie hoffte man, wenn sie auf
russischem Boden und angriffsweise geführt wurdet, ebenso starke, vielleicht
sogar stärkere russische Kräfte zu binden, als durch einen Vorstoß schwacher
Teile von Mlawa auf Warschau.
Als die deutsche Oberste Heeresleitung die neuen mit General 24. «ept-mb-r.
v. Conrad getroffenen Abmachungen erfuhr, wünschte sie, den unter anderen
Voraussetzungen befohlenen und schon rollenden Cisenbahnausmarsch der
9. Armee, soweit noch möglich, der neuen Lage anzupassen. Vielleicht ließ
sich wenigstens das nach Krakau bestimmte XI. Armeekorps, dessen Ab-
transport erst am 23. September bei Insterburg beginnen sollte, noch um-
leiten und weiter nördlich ausladen. In diesem Sinne drahtete General
t>. Falkenhayn am 24. September an das Armee-Oberkommando 9; er
fügte hinzu: „Cs ist angenommen, daß hierfür der Lage beim Feinde ent-
sprechende Vereinbarungen mit Österreichern bereits getroffen sind." Diese
Anregung der Obersten Heeresleitung entsprach vollauf den ursprünglichen
Absichten des Oberkommandos 9, mit denen es aber nicht durchgedrungen
war. Jetzt kam die Änderung der Obersten Heeresleitung zu spät, denn die
Transporte waren auf Veranlassung des Generalobersten v. Aindenburg
derart beschleunigt worden, daß die Ausladung des XI. Armeekorps bei
Krakau schon in vollem Gange war. So wirkte das Telegramm der Obersten
Heeresleitung beim Oberkommando 9 nur verstimmend. Dieses antwortete:
„Ausladung in Krakau ersolgt gegen diesseitige Absicht, lediglich auf aus-
drücklichen Befehl des Großen Hauptquartiers. Ausladung jetzt nicht mehr
Zu ändern, da im Gange. Armee wird nach Ausladung nach Norden ver-
schoben, um damit die hier stets als richtig erkannte Basis zu gewinnen."
An demselben 24. September wurde aber in einem „Oberste Heeres-
leitung" unterzeichneten Telegramme auch Aufklärung gefordert über die
Heranziehung der 35. Referve-Division (Hauptreserve Thorn) zur 9. Armee.
Dieser vom Oberkommando 9 noch gar nicht gemeldete Entschluß war der
Obersten Heeresleitung auf dem Dienstwege über die Feldeisenbahn-
behörden bekanntgeworden. Ihr Eingreifen erregte bei den an völlige
Selbständigkeit gewöhnten Siegern von Tannenberg und den Mafurifchen
Seen Befremden. Daß Generaloberst v. Moltke ausgeschaltet war, wußte
man noch nicht; denn nach wie vor waren die einlaufenden Drahtungen
J) Bericht der 8. Armee vom 24. und Antwort des Generalobersten v. Hinden-
bürg vom 26. September, vgl. S.S06f.
t Weltkrieg. V. Band. 27