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Die Operationen in Frankreich und Belgien.
das Vorgehen des Velagerungskorps gegen die Südostfront der Festung
verhindert war, begnügte sich König Albert von Belgien damit, die 37. Land-
wehr-Vrigade von der Dendre zurückzudrücken und die angegriffene Front
mit vier Divisionen zu verstärken; nur die 4. Infanterie-Division beließ er
bei Termonde. Schon am 29. September kam man im Hauptquartier an-
gesichts der schweren Schäden, die die Werke der Südostfront nach der kurzen
Beschießung erlitten hatten, zu der Überzeugung, daß Antwerpen auf die
Dauer kein Zufluchtsort für das belgische Heer bleiben könne^). Wenn die
Feldtruppen für weitere Operationen kampffähig bleiben sollten, mußten sie
rechtzeitig die Festung verlassen. Mit den Vorbereitungen hierfür wurde noch
am 29. September begonnen. Ein Zeitpunkt für den Abmarsch war aber
noch nicht ins Auge gefaßt. Als neue Operationsbasis des belgischen Feld-
Heeres wurde der Raum Brügge—Zeebrugge—Ostende in Aussicht ge-
nommen.
Noch an demselben Tage wurde dem englischen Gesandten am belgischen
Hose, Sir Francis Villiers, durch den belgischen Ministerpräsidenten und
Kriegsminister, Baron de Broequeville, mitgeteilt, daß Hof und Regierung
nach Ostende übersiedeln würden, wenn die äußere Fortlinie gefallen wäre;
anschließend würde dann die Feldarmee in Stärke von 65 000 Mann ab-
ziehen und die Festung ihrem Schicksal überlassen^). Am 30. September
wandte sich König Albert angesichts der weiteren Fortschritte des Angreifers
an die verbündeten Mächte mit der dringenden Bitte um militärische
Hilfe. Bei Übermittlung dieser Bitte fügte der britische Gesandte aus
eigenem Antrieb hinzu, daß seiner Ansicht nach die baldige Entsendung einer,
wenn auch kleinen englischen Abteilung nach Antwerpen die Moral des
Verteidigers bedeutend heben würde. Dieser belgische Hilferuf brachte die
englische Regierung in eine recht schwierige Lage; denn durch die Erfolge
der deutschen 5l-Voote und ihr Erscheinen an der flandrischen Küste schien
die Verbindung über den Kanal aufs schwerste gefährdet. Die Unsicherheit
der Seetransporte empfand man als geradezu unerträglich. Besondere
Sicherheitsmaßnahmen mußten getroffen werden, die die Transporte stark
verzögerten. Man begnügte sich also in London zunächst damit, eine eng-
lische Kommission zur Prüfung der Lage der Festung nach Antwerpen zu
senden und mit der französischen Regierung über weitere Hilfeleistungen zu
verhandeln. Frankreich wollte 15 000 bis 20 000 Mann entsenden, wenn
man in der britischen Hauptstadt die gleiche Unterstützung gewährte'). Eng-
land erklärte sich bereit, die verwendungsbereite 7. Infanterie- und die
L'Action de l'Armee Beige, S. 56. — 2) Englisches amtliches Kriegswerk,
Vd. II, S. 35. — --) Englisches amtliches Kriegswerk, Vd. II, S. 36.