Verschlechterung der operativen Lage des deutschen Westheeres.
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Zmückblickend auf die Gesamtheit der Ereignisse in den letzten beiden
Wochen konnte General v. Falkenhayn sich nicht verhehlen, daß die am
15. September eingeleitete und seit dem 23. September zur Entscheidung
heranreifende Operation einen Verlauf nahm, der nur wenig den gehegten Er-
Wartungen entsprach. Die Lage verlangte neue, schwerwiegende Entschlüsse.
Zu der Unsicherheit des Ausganges der Kämpfe beiderseits der
Somme gesellte sich die zunehmende Sorge um Flanke und Rücken des
deutschen Westheeres. Das Erscheinen englischer Truppen in Calais,
Dllnkirchen und Ostende sowie in Doullens, Lille, Brügge und Gent
lag nicht außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit. Auffallend war in diesem
Zusammenhange eine Meldung der 1. Armee vom 27. September, daß unter
den vor dem III. Armeekorps stehenden britischen Kampfverbänden Franzosen
erkannt seien, eine Feststellung, die auf Ablösung englischer Kräfte schließen
ließ. Gleichzeitig waren durch die Lufterkundung am 26. September starke
Truppenlager südlich der Aisne zwischen Vic und Villers Cotterots sowie
vor der gesamten Front der 1. Armee Verschiebungen feindlicher Kräfte
in westlicher Richtung, mittels Fußmarsch und Eisenbahn, beobachtet
worden Zahlreiche Nachrichten sprachen von der Landung britischer
Truppen — auch aus den Kolonien — in den nord- und südsranzö-
fischen Häfen. Das deutsche Luftschiff „Z. IX" glaubte auf einer Crkun-
dungsfahrt in der Nacht vom 26. zum 27. September zwischen Roubaix
und Courtrai zahlreiche große Biwaks erkannt zu haben. An der Bahn-
linie Arras—Douai schien die Ausladung feindlicher Kräfte vorbereitet zu
werden oder schon im Gange zu sein.
Immer größere Bedeutung für die weitere Gestaltung der Operationen
gewann auch der sich mehr und mehr zuspitzende Mangel an Artillerie-
munition. Die 1. und 6. Armee mußten am 26. September durch den Chef
des Feldmunitionswesens dahin unterrichtet werden, daß unmittelbare Ge-
fahr für den Munitionsnachschub bestehe. Für den gesamten rechten Heeres-
flügel, 6., 1., 7. und 2. Armee, seien nur zehn Züge mit Munition für Feld-
artillerie, drei für schwere Feldhaubitzen und ein halber für 10 oin-Kanonen
unterwegs. Vis zum 3. Oktober seien darüber hinaus für das gesamte Ost-
und Westheer nur noch sieben Züge mit Munition für Feldartillerie und
1 sliZug für schwere Feldhaubitzen zu erwarten. Mörsermunition konnte
zur Zeit überhaupt nicht zugeführt werden. Demgegenüber verlangte allein
die Armee-Abteilung Strantz am 25.September mindestens vier schwere
Feldhaubitz-Züge und machte die Fortsetzung ihres Angriffs von deren so-
fortiger Zuführung abhängig^). Schärfer konnte die Gefahr, die hier drohte,
kaum beleuchtet werden.
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