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Die Operationen in Frankreich und Belgien.
lichkeit, sowie um Mitteilung, wie in diesem Falle die strategische Aufgabe
der französischen Armee aufgefaßt würde. Der französische Oberbefehls¬
haber beantwortete die Anfrage erst am 20. September. Er erklärte, daß
die auf dem linken französischen Heeresflügel entbrannten Kämpfe es den
Deutschen ganz unmöglich machen würden, Kräfte von der West- an die
Ostfront zu werfen. Gelinge es Frankreich, in diesen Kämpfen erfolgreich
zu sein, so werde es den Vormarsch nach Deutschland hinein antreten und
so weit vorrücken, daß die alliierten Mächte Genugtuung erhielten und eine
Neuordnung in Europa schaffen könnten, die den allgemeinen Frieden
gewährleisten würde").
Noch im Laufe des 17. September lüftete sich teilweise der Schleier,
der bisher über den deutschen Bewegungen lag. Im französischen Großen
Hauptquartier gingen Nachrichten des Prefet du Nord ein, nach denen
am 16. September beträchtliche deutsche Truppenausladungen in der Gegend
von Valenciennes—Denain stattgefunden haben sollten^). Aus anderer
Quelle erfuhr die Heeresleitung, daß am 11. September 30000 bis 4000»
Mann deutscher Truppen im Antransport von Aachen durch Lüttich nach
Frankreich befördert feien3). Auch über Ausladungen bei Cambrai lagen
Meldungen vor*).
Entsprachen diese Nachrichten den Tatsachen, so trat eine starke Ge¬
fährdung des linken Flügels des französisch-englischen Heeres ein. Zwar
standen zur Zeit die T e r r i t o r i a l - D i v i s i o n e n des Generals
d'Amade, deren Kommando am 17. September auf General Brugsre über¬
ging, in der Gegend östlich von Amiens mit dem am Tage zuvor erhaltenen
Auftrage, den linken Heeresflllgel zu decken und der Lage entsprechend ent-
weder auf Cambrai oder Arras zu rücken oder bei Amiens stehenzubleiben^).
Sie waren aber infolge unzulänglicher Ausrüstung wenig beweglich und von
geringem Gefechtswert. Das Kavalleriekorps Vridoux, dessen
Führer am 17. September fiel und dessen Führung in die Hände des
Generals Vuisson gelegt wurde, stand im Räume westlich St. Quentin").
Cs hatte gegen die Stadt vorstoßen und die Bahn Böham—-St. Quentin
unterbrechen sollen. Beide Truppenkörper schienen angesichts der neuen
Bedrohung durch die Deutschen nicht genügend stark. Reserven standen
hinter dem linken Flügel des Heeres nicht mehr zur Verfügung; es blieb
also nur übrig, Kräfte aus anderen Teilen der Front herauszuziehen und
an die gefährdete Stelle zu werfen. So gelangte General Ioffre im Laufe
i) Walentinow, Teil I, <5. 26. — Danilow, Juris, „Rußland im Weltkriege
1914/1915", deutsche Übersetzung, S.292. — 2) Hanotaux, XII, S. 194. — ->) Hanotaux,
XII, S. 194. — -) Hanotaux, XII, S. 72. — '■) Hanotaux, XII, S. 194. — <-) Hanotaux,
XII. S. 194.