Der Fall der Festung Przemysl.
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wendungsbereite deutsche Kräfte ehestens zur Armeegruppe Pflanzer ver¬
schoben und im Wege dieser an den Ostflügel der Südarmee gebracht werden
sollten". Am Schluß seines Telegramms nahm General v. Conrad Bezug
auf eine ihm durch Feldmarschalleutnant Graf StürgkhI zugegangene Mit¬
teilung, „daß die deutsche Oberste Heeresleitung tatsächlich über neu-
formierteH Divisionen verfüge". In seiner Antwort vom 17. März er¬
klärte General v. Falkenhayn, daß die in Aufstellung begriffenen Verbände
noch lange nicht operationsbereit seien. Bei der Erörterung des Vor¬
schlages des Generals v. Conrad habe er nicht an eine Kräfteverschiebung
vom Westen nach dem Osten, die vorläufig völlig ausgeschlossen sei, ge¬
dacht, sondern nur an eine solche, vom deutschen zum österreichisch¬
ungarischen Ostheere. Nach dem Gutachten des Oberbefehlshabers Ost
komme aber auch diese bei der Lage nördlich der Weichsel zur Zeit leider
nicht in Frage. So wichtig auch ihm die Beeinflussung Rumäniens
durch militärische Erfolge scheine, so wenig sei er hiernach im gegen¬
wärtigen Augenblick in der Lage, weitere Kräfte dafür zur Verfügung
zu stellen.
Da die Hoffnung auf rechtzeitigen Entsatz der Festung Przemysl zu¬
nichte geworden, kam General v. Conrad auf seinen Antrag vorläufig nicht
mehr zurück. Cr beschloß, wenigstens die dort eingeschlosienen beweglichen
Kräfte zu retten. In funkentelegraphischen Erörterungen mit dem Kom¬
mandanten der Festung, General der Infanterie Kusmanek, wurde ver¬
einbart, daß die gesamte Festungsbesatzung am 19. März versuchen sollte,
in Richtung auf Sambor durchzubrechen. General v. Boehm-Ermolli hatte
mit dem zu verstärkenden V. Korps am 21. März einen Vorstoß nach
Nordosten durchzuführen, um der Festungsbesatzung die Hand zu reichen.
Am 18. März mißlang der Durchbruchsversuch der Festungsbesatzung
von Przemysl, während gleichzeitig auch die Offensive der 4. Armee bei
Gorlicech scheiterte. Die Festung mußte, nachdem die Verpflegungsvorräte
nahezu völlig aufgebraucht waren, am 22. März nach Verschießen sämtlicher
Munition und Zerstörung der Werke kapitulieren. Fast fünf Monate hin¬
durch hatte die Festung sich in tapferem Kampfe gehalten und starke Kräfte
des Gegners gebunden.
Der Fall der Festung Przemysl stellte die österreichisch-ungarische
Heeresleitung vor eine veränderte Lage: der Hauptgrund für das dauernde
Drängen zum Vorgehen gegen die Linie Lisko—Sanok fiel nunmehr
9 Der österreichisch-ungarische Bevollmächtigte General bei der deutschen Obersten
Heeresleitung. — 2) S. 304. — 3) S. 117.