6 Die deutsche Oberste Heeresleitung zu Beginn des neuen Operationsabschmttes.
noch ungeklärt. Es ist nicht ausgeschlossen, daß der Gegner, um seinen
Nordflügel und die Mitte zu entlasten, erneut zur Offensive in Lothringen
schreiten wird. Sollte dieser Flügel der Franzosen zurückgehen, so wird er,
gestützt auf das Festungsdreieck Langres—Dijon-Besan^on, dauernd ver-
suchen, die deutschen Armeen von Süden zu flankieren oder Kräfte für eine
erneute Offensive bereitzustellen.
Mit Neubildungen und Ergänzungen des französischen Heeres muß
gerechnet werden. Wenn ihm augenblicklich außer den schwachen Crsatz-
truppen auch nur das diesjährige Rekrutenkontingent zur Verfügung steht,
so ist doch anzunehmen, daß man auf den nächsten Rekrutenjahrgang zurück-
greift und alle in Nordafrika verfügbaren Heeresteile sowie Marine-
Mannschaften heranzieht. Die Bildung von Franktireurbanden wird wahr-
scheinlich bald von der französischen Regierung angeordnet werden. Auch
England ist eifrig bemüht, ein neues Heer aus Freiwilligen und Territorialen
zusammenzustellen. An eine Verwendung innerhalb der nächsten vier bis
sechs Monate ist allerdings kaum zu denken."
Diese Beurteilung des bisherigen Verhaltens, des Zustandes und der
Absichten der Feinde entsprach im allgemeinen der Wirklichkeit, wenn auch
naturgemäß keine volle Klarheit über die Lage der einzelnen feindlichen
Gruppen herrschte. War doch die deutsche Oberste Heeresleitung selbst
am 27. August in bezug auf den augenblicklichen Stand der eigenen Armeen
zum Teil auf Vermutungen angewiesen. So war der Ausgang des
Kampfes der 1. Armee bei Le Eateau gegen die Engländer noch nicht
bekannt. Man wußte nur aus einer Meldung des Generalobersten
v. Bülow*), daß die 1. und 2. Armee die Verfolgung mit Fühlung am
Feinde rechts überholend fortsetzen wollten, und zwar die I.Armee über
Eambrai—Le Eateau, die 2. über Landrecies—Fsron. Die 3. Armee
funkte um 11" vormittags, daß sie noch heute den Sormonne-Abschnitt
Auvillers—Tournes gewinnen werde. Hiernach bestand kein Zweifel,
daß die feindliche Nordgruppe — die Engländer und die französische
3. Armee — sich weiter im Rückzug nach Südwesten befand.
Anders lagen die Dinge bei der feindlichen mittleren Gruppe, der
französischen 4. und 3. Armee. Wenn die Oberste Heeresleitung annahm,
daß auch diese Gruppe, „nachdem sie die Maas-Linie verloren habe, im
vollen Rückzüge" sei, so griff das den tatsächlichen Ereignissen am 27. August
noch vor. Denn während die deutsche 5. Armee die Maas unterhalb Verdun
überhaupt noch nicht erreicht hatte und somit hier von einem Verlust der
Maas-Linie für den Feind nicht gesprochen werden konnte, stand die
4. Armee von Sedan bis Stenay seit dem 26. August in schwerem, bisher
Abgegangen am 26. August, 11°« abends, Cingangszeit nicht ersichtlich.