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Die deutsche Oberste Heeresleitung am 29. und 30. August.
nach Südosten abgedreht worden. War dabei das bisher befürchtete Aus-
einanderreißen der schwachen Armee zwar vermieden worden, so konnte sich
die Oberste Heeresleitung auf der anderen Seite nicht verhehlen, daß die
zwischen den inneren Flügeln der 2. und 3. Armee klaffende Lücke nunmehr
in einem Maße erweitert wurde, durch das ihr operatives Zusammenwirken
im Sinne der „Allgemeinen Weisungen" vom Abend des 27. August vorerst
ausgeschlossen war. Cs schien indessen kein Anlaß vorzuliegen, darin eine
Gefahr für den Fortgang der Gesamtoperation zu sehen. Man sagte sich,
daß Generaloberst Freiherr v. Hausen den Linksabmarsch nicht angetreten
haben würde, wenn den von ihm selbst bei Eoingt, Monteornet und Rethel
vermuteten Kräften des Feindes ernstere Beachtung beizumessen gewesen
wäre. Auch schien die in schneller Verfolgung begriffene 2. Armee einer
unmittelbaren Unterstützung durch die 3. nicht zu bedürfen. Anders lag
diese Frage in bezug auf die 4. Armee. Hilfe zur Crringung des taktischen
Sieges auf dem Schlachtfelde brauchte freilich auch diese nicht mehr, wohl
aber konnte eine überholende Verfolgung der 3. Armee über die Aisne, wie
sie Herzog Albrecht angeregt hatte, für den Fortgang der Operationen der
deutschen Mitte von entscheidender Bedeutung werden. Der Chef des
Generalstabes des Feldheeres glaubte daher sich eines Eingriffs in die
Maßnahmen des Generalobersten Freiherrn v. Hausen wenigstens so lange
noch enthalten zu sollen, bis klar übersehen werden konnte, ob die von ihm
eingeleitete Operation in Flanke und Rücken des vor der 4. Armee auf die
Aisne weichenden Gegners Aussicht auf einen ansehnlichen operativen Teil-
erfolg bot oder nicht.
Für die 5. Armee bedeutete der überraschend schnelle Fall der Festung
Montmedy, der um Mittag des 29. August im Großen Hauptquartier
bekannt wurde, insofern eine Erleichterung, als sie dadurch der Sorge um
die Sicherung ihrer rückwärtigen Verbindungen gegen die Festung enthoben
wurde. Für die Lösung der ihr bevorstehenden Aufgabe, den Maas-Über-
gang nördlich Verdun angesichts eines zum Widerstand entschlossenen
Gegners zu erzwingen, fiel nunmehr stark ins Gewicht, daß ihre rechte
Nachbararmee inzwischen nicht nur jenseits des Flusses festen Fuß gefaßt,
sondern auch den Feind auf die Aisne zurückgedrängt hatte. Wenn in dieser
Lage kein Rückschlag eintrat, durfte der Aserwechsel der 3. Armee nur als
eine Frage der Zeit angesehen werden.
Im ganzen betrachtet, war also die Oberste Heeresleitung am Abend
des 29. August mit der Entwicklung, die die Dinge bei allen süns Armeen
der großen Schwenkungsfront genommen hatten, nicht unzufrieden. Weniger
entsprach ihren Wünschen der Gang der Ereignisse an der loth-
ringischen Front. Nach der Abendmeldung des Armee-Oberkommandos 6